Die Farbe der Liebe
Aurelia mehr als alles, was sie bisher zu Gesicht bekommen hatte. Dennoch konnte sie den Blick nicht von dem Geschehen abwenden, das sich in Zeitlupe abzuspielen schien.
Eine junge Frau, wahrscheinlich in ihrem Alter, lehnte mit gespreizten Armen und Beinen wie ein Seestern an der Wand. Auch diese Frau war gefesselt, allerdings nur mit ganz schmalen weißen Bändchen, die ihr um Knöchel und Handgelenke geschlungen waren und mit ihrer Zartheit noch die grazilen Hand- und Fußgelenke der zerbrechlichen Gestalt betonten. Das lange, pechschwarze Haar hing ihr offen über die Schultern und übers Gesicht, sodass ihre Züge nicht zu sehen waren. Sie stand in pfirsichfarbenen Spitzenschuhen perfekt en pointe . Ihr Spitzenunterhöschen, das man ihr bis zur Mitte der Oberschenkel heruntergezogen hatte, war von der gleichen Farbe. Auf ihren entblößten, perfekt geformten Arschbacken leuchtete rot der Abdruck einer Hand.
Hinter ihr stand ein Mann mit erhobenem Arm. Er hielt mitten im Ausholen inne wie ein Pitcher, der alle Kraft zusammennimmt, um den Baseball mit größtmöglicher Wucht zu schleudern. Dann ließ er seine Hand offenbar so fest, wie er nur konnte, auf ihren Arsch niedersausen. Das Mädchen schrie auf, der kehlige Laut verriet Schmerz, dennoch versuchte sie nicht, sich aus ihrer Lage zu befreien. Unwillkürlich riss es sie ein Stückchen nach vorn, die Bändchen spannten sich, doch es gelang ihr, auf den Zehenspitzen zu bleiben. Trotz ihrer geringen Balletterfahrung wusste Aurelia, dass man diese Position unter solchen Umständen nur mit einem außerordentlich guten Gleichgewichtssinn und enormer Willensstärke halten konnte.
Die Wirkung des Schlags ließ nach, und das Mädchen entspannte sich. Nach der Züchtigung war der Mann nun zu einer Liebkosung übergegangen; er legte seine Hand so zart auf ihre Arschbacke, als streichelte er die zarten Blütenblätter einer Blume. Sein Gesicht zeigte eine ungeheure Befriedigung, als sie sich an seine Handfläche drückte. Doch dann blitzten seine Augen auf, sein sanftes Lächeln wurde grausam. Wieder hob er die Hand und ließ sie dumpf auf ihre andere Arschbacke knallen. Sie zischte vor Schmerz zwischen zusammengebissenen Zähnen und ruckte wieder nach vorn, bis sie sich erneut an seine gewölbte Hand schmiegte und entspannte. Diesmal glitt sein Finger ganz rasch von hinten zwischen ihre Beine und fuhr von ihren Schamlippen zum Arsch. Als Antwort darauf spreizte sie die Beine noch etwas mehr – eine Einladung.
Aurelia spürte, dass ihr Körper völlig ungebeten ähnlich reagierte wie der der dunkelhaarigen Ballerina. Ein vertrautes warmes Kribbeln zwischen ihren Beinen weckte das starke Verlangen, sich selbst zu befriedigen. Kurz schloss sie die Augen und versuchte, diese Empfindung abzuwehren und aufmerksam im Hier und Jetzt zu bleiben; doch das hatte den gegenteiligen Effekt. Nicht nur, dass sie die Szene nun vor ihrem inneren Auge sah, sie wurde dabei selbst zu der an Hand- und Fußgelenken gefesselten Tänzerin, und der Fremde aus Bristol stand mit erhobener Hand hinter ihr. Bei diesem Gedanken wurde sie feucht, und da sie ihre Ohren nicht vor dem rhythmischen Klatschen der Schläge und den Schmerzlauten des Mädchens verschließen konnte, wurde diese Vision immer realer. Auch wenn ihr die Vernunft sagte, dass es nicht sein konnte, sie war erregt … stark erregt.
Aurelia riss die Augen wieder auf und zupfte Siv am Arm.
»Hm?«, brummelte Siv.
»Komm, lass uns schauen, was es sonst noch gibt.« Und doch wusste sie nicht, ob sie noch mehr solcher Szenen aushalten würde. In ihr tobten Neugier, Erregung und Ekel, ohne dass sich bei diesem Kampf ein Sieger ausmachen ließ, was sie schrecklich verwirrte. Aurelia fühlte sich höchst unbehaglich.
War das überhaupt legal? Es war doch sehr merkwürdig, dass sie kein Bier ausgeschenkt bekamen und Milchshakes trinken mussten, aber freien Zugang zu einer derartigen Veranstaltung hatten. Doch sie wusste, dass nirgends Werbung dafür gemacht worden war. Und selbst wenn jemand die Eintrittskarte in die Finger bekommen haben sollte, brauchte er immer noch einen Informanten, um Adresse, Datum und Uhrzeit zu erfahren. Vielleicht war es ein Underground-Event? Dieser Gedanke machte ihr etwas Mut. Aurelia gefiel es, sich als Teil eines Geheimzirkels zu fühlen.
Ihr Blick wanderte zur Tür, und sie sah, dass Leute scharenweise in dieselbe Richtung strömten.
»Die Vorstellung beginnt«, sagte ein schlanker Mann in einem
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