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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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aufgegeben, die Siv mit Begeisterung absolviert hatte.
    Mittlerweile dachte sie nicht mehr oft über ihren Körper nach, aber wenn, dann fand sie sich eher schlaksig als wohlgeformt. Schon seit Langem hatte sie die Hoffnung aufgegeben, dass mit zunehmendem Alter ihre Brüste größer und ihre Hüften runder würden. »Kurvenreich« war ganz sicher kein Adjektiv, mit dem sie sich je selbst beschrieben hätte.
    Doch irgendwie betonte das Schlangenmuster auf dem Kleid den Schwung ihrer Taille und der Hüften, und da das Kleid bodenlang war und sich ein bisschen um die Knöchel wand, sah sie darin sogar noch größer aus als sonst, obwohl sie ihre flachen Ballerinas trug.
    »Hier, setz das mal auf.« Lauralynn reichte ihr einen schmalen hölzernen Reif, der mit winzigen naturgetreuen Seidenblumen besetzt war. Vorsichtig platzierte Aurelia ihn auf dem Scheitel. Mit der Blumenkrone auf dem Kopf und den über die nackten Schultern fließenden rötlich braunen Haaren sah sie wie eine heidnische Göttin aus.
    Erschrocken über ihr Spiegelbild schloss sie die Augen. Und in ihrem Innern erschien ein anderes Bild. Sie selbst, aber dennoch eine andere, stand in einem weißen Kleid im Wind. Auch diese Aurelia trug das Haar offen, doch die Strähnen hatten sich in ein Knäuel aus kupferfarbenen Schlangen verwandelt, die sich um ihr Gesicht ringelten und bei jedem Windstoß zischten, der ihre Haut liebkoste. Die erbarmungslose Wildheit der Schlangen wurde nur von der Grausamkeit übertroffen, die Aurelia in den Augen ihres Abbilds aufglimmen sah.
    »Siehst du? Nur wenn du direkt im Licht stehst, erkennt man, dass du nichts drunter anhast.«
    Sivs Stimme riss Aurelia aus ihrem Tagtraum. Wieder betrachtete sie sich im Spiegel, doch diesmal war das Kleid nur ein Kleid, und ihre Haare hingen glatt und leblos herunter wie immer.
    »Glaub mir, eine ganze Menge Leute werden weit weniger anhaben als du«, ergänzte Lauralynn und hielt ihr schwarze Riemchenstilettos unter die Nase. Die fünfzehn Zentimeter hohen Absätze waren mit je einer kleinen Bronzeschlange verziert, die an den Knöcheln der Trägerin züngelten.
    Aurelia betrachtete die Schuhe und schauderte.
    »Nein, vielen Dank.« Es klang sehr entschieden. »Ich trage nur flache Schuhe. Insbesondere wenn wir vielleicht länger auf den Beinen sind. Außerdem könnte ich wetten, dass es hier eine ganze Menge Treppen gibt.«
    »Wie du willst.« Lauralynn zuckte die Achseln, bedeutete den zwei Mädchen, ihr zu folgen, und ging aus der Kammer, ihrerseits so sicher in ihren turmhohen Schuhen, als hätte sie die schon im Mutterschoß getragen.
    Aurelia war fasziniert von dem Hüftschwung, den Lauralynn an den Tag legte, und sie fragte sich, wie sich wohl die Haut der großen Blonden unter dem glatten, gummiartigen kurzen Rock und den halterlosen Strümpfen anfühlen würde. Sie stellte sich vor, wie sie ihr mit den Fingerspitzen die Schenkel entlangfuhr und sie zwischen den Beinen streichelte. Dabei wurde sie ganz feucht und war unendlich dankbar, dass die Strasssteinchen den Blick auf ihr Geschlecht verwehrten und auch niemand das Tattoo sehen konnte, das sich jetzt womöglich zeigte.
    Aurelia schüttelte den Kopf. Was um Himmels willen war mit ihr los? Zwar spürte sie seit Kurzem mit einem gewissen Unbehagen, dass sie sich irgendwie veränderte, konnte jedoch mit den plötzlichen Gefühlen und flüchtigen Bildern, die immer mal wieder wie Glühwürmchen in ihrem Kopf aufblitzten, nicht viel anfangen.
    Lauralynn saß wieder an ihrem Kassentisch. Sie zwinkerte Aurelia verständnisvoll zu, als hätte sie die ganze Zeit ihre Gedanken erraten. »Dann viel Spaß«, sagte sie. »Es gibt eine Menge zu entdecken, lasst euch nichts entgehen.«
    »Komm«, sagte Aurelia zu Siv. »Bringen wir es hinter uns.« Sie spielte die Widerwillige, weil sie nicht zugeben wollte, dass ein Funke sich in ihr entzündet hatte und es sie vom Scheitel bis zu den Zehen kribbelte. Genauso hatte sie sich mit dem Fremden gefühlt, wie gefangen in dem seltsamen Gefühl, in eine andere Welt geraten zu sein. Sie spürte die gleiche Energie und Spannung wie auf dem Rummelplatz und in dem Kirchlein – als würde gleich etwas Magisches geschehen. Stand ihr etwa ein weiteres Erlebnis mit dem Mann bevor, der ihr in Bristol sein Zeichen aufgedrückt hatte?
    Entschlossen umfasste Aurelia das Geländer der langen eisernen Wendeltreppe, die laut Lauralynn in die Ausstellung führte. Erst als sie oben ankamen, dämmerte ihr,

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