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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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worauf sie sich eingelassen hatten.
    Nach einem langen Gang mit einer Vielzahl geschlossener Holztüren und abzweigender Flure hatten sie immer noch keine Menschenseele erblickt. Auch gab es keinerlei Hinweis, in welche Richtung sie gehen sollten; allerdings hörte Aurelia Stimmengemurmel und hin und wieder das Klappern hoher Absätze. Als sie angestrengt herauszufinden versuchte, von wo die Geräusche kamen, fiel ihr ein merkwürdiger Pfeifton auf, dazu ein dumpfes rhythmisches Dröhnen und gelegentlich ein Knallen – eine Sinfonie akustischer Vibrationen, die wie Bälle von den Steinwänden abprallten, ohne dass man ihre Quelle hätte ausmachen können.
    Sie schritten ohne groß nachzudenken durch einen steinernen Torbogen. Schatten huschten über die Wände. Fackeln an den Mauern warfen einen flackernden Schein und verbreiteten einen leicht beißenden Geruch, der sich unangenehm auf Aurelias Zunge legte.
    »Es kommt mir hier gar nicht vor wie in Amerika«, meinte Siv.
    »Nein«, stimmte Aurelia zu, »eher wie in England.« Sie waren in dem reinsten Labyrinth gelandet, und Aurelia fühlte sich wie damals mit Siv in der Geisterbahn. Immer stärker hatte sie das Gefühl, hier erneut dem Fremden zu begegnen.
    Nachdem sie an einigen Räumen vorbeigegangen waren, von denen einige offen und leer, andere aber fest versperrt waren, ohne dass sie Walter oder auch nur das kleinste Anzeichen einer Performance oder einer Kunstausstellung entdeckt hatten, wollten sie schon aufgeben. Vor einer weiteren steinernen Treppe schauten sie sich an.
    »Man sollte doch meinen, dass sie hier wenigstens Fahrstühle hätten«, beschwerte sich Siv.
    »Haben sie wahrscheinlich auch«, sagte Aurelia. »Nur dass wir hier bestimmt falsch sind.«
    Sie ging ein paar Stufen hoch und kniff die Augen zusammen, um zu sehen, ob sich im nächsten Stock etwas abspielte. Zuerst sah sie nichts, doch dann bewegte sich etwas vor ihr in der Dunkelheit, und sie hörte ein merkwürdig schabendes Geräusch. Wieder spähte sie angestrengt ins Dunkel und glaubte, jemanden mit einem Tier an einer Leine zu erkennen. Vielleicht Walter mit einem Blindenhund? Irgendetwas oder irgendjemand krauchte da auf den Stufen vor ihr; und wenn ihr Verstand ihr nicht wieder einen Streich spielte, dann hatte sie gerade einen Blick auf einen nackten Hintern und lange, schlanke Beine erhascht, die am nächsten Treppenabsatz rasch um die Ecke verschwanden. Doch nicht etwa ein Mensch an einer Leine?
    »Hier oben ist nichts«, rief Aurelia ihrer Freundin zu, die immer noch unten den Gang absuchte. Das war natürlich eine Lüge, aber ihr fiel nichts ein, womit sie Siv ihren Argwohn gegen den Bildhauer erklären konnte. Siv durfte keinesfalls merken, dass Aurelia ihn gar nicht finden wollte, sonst würde sie mit ihrem Dickkopf erst recht alles daransetzen, ihn aufzuspüren.
    »Okay«, antwortete Siv. »Komm runter. Ich hab etwas gesehen.«
    Aurelia ging an vielen verschlossenen Türen vorbei in die Richtung, aus der Siv gerufen hatte.
    Der Raum, den Siv entdeckt hatte, war verhältnismäßig klein, wirkte aber größer, weil er komplett weiß gestrichen war. Durch das kleine, vergitterte Fenster fiel nur wenig Licht, doch es wurde von der weißen Farbe so stark reflektiert, dass die Wände zu leuchten schienen.
    Aurelia wollte gerade etwas sagen, da sah sie, dass Siv einen Finger an die Lippen gelegt hatte.
    Eine Frau hing an blassrosa Seilen von der Decke. Wie eine Ballerina mitten im grand jeté hatte sie die Arme, die an den Handgelenken aufgehängt waren, hoch über dem Kopf; ihr Rücken war durchgebogen, und die Beine hatte sie weit gespreizt, wobei das hintere höher war als das vordere, als hätte sie gerade den Scheitelpunkt ihres Sprungs erreicht. Um ihre Knöchel und knapp oberhalb der Knie waren Seile gewunden und festgezurrt und an von oben herabhängenden Enden befestigt. Sie hatte ein Geschirr aus Seilen an, das um ihre Hüften, um die Schenkel und den Po geschlungen war und den Großteil ihres Gewichts trug.
    Ein friedlicher Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Es erfüllte sie offenbar mit heiterer Gelassenheit, im Sprung gehalten zu sein. Und die Seile schienen die Freiheit, die sie in der Luft empfand, eher zu steigern als einzuschränken. Vollkommen reglos und gelassen in ihren Fesseln reagierte sie mit keinem Zucken und keinem Laut auf die Anwesenheit der beiden jungen Frauen.
    In der Ecke des Zimmers saß vor einer kleinen Werkbank ein Mann auf einem Hocker. Er würdigte

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