Die Farbe der Liebe
bezichtigen würde. Sicher konnte sich niemand vorstellen, dass man in die Kabinen eindrang und den Gästen dann auf einem Fest ihre eigenen Kleider vorführte – und genau deswegen war es eben möglich.
Die Kabinen selbst waren mit einer Pracht ausgestattet, wie Thomas sie noch nie gesehen hatte. Er strich mit der Hand über die Tapete – Seide! Die Leuchter an der Decke sahen mit ihren Kristalltropfen wie fließendes Wasser aus. Aber er durfte hier nicht zu viel Zeit verlieren. Ein Klavier spielte einen fröhlichen Ragtime, und dann hörte er auch die Schritte der Tänzer auf dem Deck über sich.
Sorgfältig scheitelte er sein Haar, kämmte es zurück und zog sich kokett eine breite Strähne über ein Auge. Nun setzte er sich noch einen breitkrempigen Strohhut, an den er die Pfauen-Nadel gesteckt hatte, schräg auf den Kopf und folgte den Klängen der Tanzmusik zum Oberdeck.
Zwei Diener in roter Livree standen links und rechts vor einem dicken, roten Samtvorhang, offenbar dem Eingang zum Ball.
»Guten Abend, Sir«, sagte einer von ihnen, ohne seinen zusammengestohlenen Aufzug auch nur mit einem verwunderten Blick zu streifen.
»Guten Abend«, gab er zurück.
»Wir müssen Sie vorsorglich warnen, Sir«, sagte der Diener. »Erschrecken Sie nicht. Alles ist, wie es sein soll.«
Dann zog er mit einer schwungvollen Geste den Vorhang beiseite.
Eine Hitzewand wehte Thomas entgegen. Flammen züngelten an den Wänden empor und tauchten alle Anwesenden in einen wilden, feurigen Schein.
Thomas blieb der Mund offen stehen.
Dann trat er ein.
Er erhaschte nur einen kurzen Blick auf nackte Körper, einzelne oder in Paaren, die sich in den Flammen zu winden schienen, als wären sie in Brand gesetzt worden. Doch schon hielt man ihm die Augen zu, ergriff ihn an den Händen und führte ihn weiter in den Raum hinein. Er stolperte und wäre beinahe gestürzt, aber hilfreiche Hände waren zur Stelle und stützten ihn, bis man ihn schließlich auf einen weichen Diwan sinken ließ. Der Sakko und die Hose, die er sich mit so viel Mühe besorgt hatte, wurden ihm vom Leib gerissen, ehe er auch nur mit einem Wort protestieren konnte.
War seine List bereits durchschaut worden? Würden sie ihn einfach über Bord werfen oder vielleicht der Polizei übergeben? Doch die Hände, die sich an ihm zu schaffen machten, waren keineswegs grob.
Warme Lippen drückten sich auf seinen Mund, dann schlängelte sich sanft eine weiche, geschickte Zunge in ihn hinein, die, wie er meinte, nur einer Frau gehören konnte. Eine feurige Flüssigkeit rann ihm durch die Kehle. Beinahe hätte er sich verschluckt, aber eine erfahrene Hand legte ihm den Kopf in den Nacken, und man flößte ihm noch einen Schluck ein. So etwas hatte Thomas noch nie gekostet. Fruchtig, würzig und voller Geschmacksnuancen, die an ferne, exotische Länder denken ließen und seinem Körper einen plötzlichen Energieschub versetzten, als ob er gut gegessen hätte und gerade aus einem erholsamen, langen Schlaf erwacht wäre.
Schließlich ließen die Hände von ihm ab, und es gelang ihm, die Augen zu öffnen. Sein erster Blick bestätigte ihm, dass er fast nackt war. Das schlichte Baumwolltuch, mit dem er sich die Brüste abband, war durch ein Tuch aus feinster Seide ersetzt worden. Sein Schamhaar war mit einer Art zartoranger Farbe angemalt worden, sodass es leuchtete wie eine Flamme.
»Wo bin ich?«, ächzte er. »Wer seid ihr?«
»Wir haben auf dich gewartet«, antwortete eine der Frauen neben ihm. »Du bist der Stier.«
»Wie bitte?«, entfuhr es Thomas.
Die Frau kniete sich vor ihn hin und öffnete den Deckel eines schweren hölzernen Kastens, der zu seinen Füßen stand. Das Innere war mit prachtvollem dunkelblauem Samt ausgeschlagen, und darauf lag ein Geschirr aus feinstem Leder. Daran war ein aus Elfenbein geschnitzter Dildo befestigt. Jemand hob ihn heraus und drückte ihn Thomas in die Hände. Der künstliche Penis war in etwa so lang und so dick wie sein Unterarm und an der Spitze wie der Kopf eines Stiers geformt. Er sah wunderschön aus, zugleich aber auch erschreckend. Die beiden Hörner, da war sich Thomas sicher, waren zur Stimulation der Frau gedacht, vielleicht sogar, um ihr Schmerzen zu bereiten. Der Dildo wog überraschend wenig, und die Riemen schlossen sich um seine Schenkel und die Taille, als wäre ihm die Vorrichtung angepasst worden.
Thomas stand auf und machte einen Hüftstoß, um ihr Gewicht zu prüfen. Die Frau, die immer noch vor ihm kniete,
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