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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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zweite Koje und starrte eine ganze Weile auf seine Knie.
    »Ich dachte, Sie wüssten das?«, sagte Ole unsicher.
    »Nein, das wusste ich nicht«, antwortete von Wellersdorff. »Die Gestapo hat einen Teil des Gepäcks konfisziert. Wir dachten, Hülsmeyers Sachen wären dabei gewesen.«
    Obwohl ihm die Frage förmlich auf den Lippen brannte, hütete sich Ole, nach dem Inhalt des ominösen Gepäckstücks zu fragen.
    »Und sie hat ihn ins Wasser geworfen?«, fragte der Konteradmiral noch einmal. »Wo?«
    »Auf dem Schlepper. Achtern, vom Seitendeck aus«, antwortete Ole.
    Von Wellersdorf und Rausch tauschten einen bedeutungsvollen Blick. Es schien Ole, als ob beide den gleichen Gedanken hatten, denn der Konteradmiral nickte dem Segelmacher unmerklich zu und sagte leise: »Wir sollten keine Zeit verlieren!«
    Dann fuhr von Wellersdorff in scharfem Tonfall in Oles Richtung fort: »Was du uns da erzählt hast, Storm, wirst du niemals jemand anders gegenüber erwähnen, verstanden? Nie! Am besten, du vergisst, was du in jener Nacht gesehen und gehört hast.«
    »Verstanden!«, sagte Ole und schluckte.
    »Gut. Dann geh jetzt zurück auf dein Schiff! Und sprich auch nicht darüber, dass du hier warst!«
    Damit stand von Wellersdorff auf.
    »Kommen Sie, Oberbootsmann!«
    Ohne ein weiteres Wort oder auch nur einen Blick zu Ole verschwand der Konteradmiral aus der Vorpiek. Ole starrte ihm konsterniert nach. Und auch Rausch konnte nur die Achseln zucken.
    »Besser du tust, was er sagt«, brummte er und klopfte Ole mit seiner Pranke auf die Schulter. »Mast und Schotbruch, Junge. Halt die Ohren steif und den Kopf unten, wenn’s knallt!«
    Damit war Ole allein.
    Er blieb noch ein paar Augenblicke so sitzen, wie ihn die beiden anderen verlassen hatten, enttäuscht darüber, dass sein Besuch auf der Skagerrak so abrupt und mit einem derart negativen Beigeschmack endete. Und verwirrt über von Wellersdorffs plötzliche Eile, die ganz offensichtlich durch seine Erwähnung von Hülsmeyers Koffer ausgelöst worden war. Darauf konnte sich Ole keinen Reim machen.
    Er legte das Takelwerkzeug zusammen, faltete die Fock, so gut er das in der Enge der Vorpiek alleine vermochte, und ging ebenfalls hinaus.
    Als er in den Salon kam, war vom Konteradmiral und dem Segelmacher nichts mehr zu sehen und zu hören. Dafür stand im Halbdunkeln unter dem Niedergang ein anderer Mann. Er hatte den Kopf gesenkt, fast so, als lausche er an der geschlossenen Tür zur Achterkabine. Als er Ole kommen hörte, fuhr er herum und beeilte sich, von der Tür des Konteradmirals wegzukommen.
    Es musste der Smut sein, denn vom Dienstgrad her war er lediglich Obermaat. Außerdem hielt er eine Gemüsekiste vor den schwabbeligen Bauch gepresst. Einen Augenblick starrte er Ole aus weit hervortretenden Augen an. Dann erkannte er offensichtlich, dass er nur einen einfachen Matrosen vor sich hatte, der obendrein nicht mal hier an Bord gehörte.
    »Wer bist du denn, Freundchen?«, fragte er heiser und versperrte ihm den Weg. »Was hast du hier herumzuschnüffeln?«
    »Ich habe Oberbootsmann Rausch geholfen, die Kutterfock zu flicken!«, antwortete Ole und konnte nicht verhindern, dass es ziemlich giftig klang. »Und wenn hier einer schnüffelt, dann wohl eher Sie!«
    Damit schob er sich an dem Obermaat vorbei, stapfte den Niedergang hinauf und weiter über die Gangway auf die Pier.
    *
    Als die Schleswig-Holstein am nächsten Morgen auslief, war Ole überzeugt, weder die Skagerrak noch von Wellersdorff oder Rausch jemals wiederzusehen. Zunächst verholte das Linienschiff von seinem Liegeplatz im Marinearsenal lediglich zu einer Reede draußen auf der Förde. Dort sollte sie auf ein Versorgungsschiff warten, das erst gegen Abend eintreffen würde und das sie im Verbund mit zwei anderen Schiffen hinauf nach Norwegen eskortieren sollte. Am Vormittag, Ole war als Ankerwache auf der Back eingeteilt, kam eine Barkasse längsseits. Kurz darauf tauchte der Postenläufer vorne bei Ole auf, ein bleicher Junge aus Oles Korporalschaft, und erklärte ihm atemlos, dass er sich sofort beim Kommandanten zu melden habe. Mit mulmigem Gefühl eilte Ole zum K-Raum, der mittschiffs im ersten Unterdeck lag. Er klopfte, wartete gehörig auf das Herein und betrat den Raum.
    »Matrose Storm meldet sich zur Stelle!«, rief er und nahm Haltung an.
    Der Kommandant der Schleswig-Holstein hatte den Rang eines Kapitäns zur See, hieß Kleikamp und war ein klapperdürrer, ungesund wirkender Mann Ende fünfzig.

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