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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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Er hatte schlechte Zähnen, trübe Augen mit schweren, gelblichen Tränensäcken darunter und stand dem Schiff, das er befehligte, in puncto Hässlichkeit in nichts nach. Hinter seinem Rücken wurde er allgemein nur »das Gespenst« genannt.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis das Gespenst sich herabließ, auf Oles Anwesenheit zu reagieren.
    »Packen Sie Ihre Sachen, Matrose!«, raunzte er unfreundlich, ohne von seinem Stapel Papiere aufzusehen. »Das Marinepersonalamt ist der Meinung, dass Sie als Koch dringender auf einem anderen Schiff benötigt werden. In zehn Minuten fahren Sie mit der Barkasse zurück ins Arsenal.«
    Ole blinzelte. Er sollte versetzt werden, was an sich ja fast an ein Wunder grenzte. Aber … als Koch? Das konnte sich nur um eine Verwechslung handeln. An einem Herd hatte Ole in seinem Leben noch nichts anderes zustande gebracht als überkochende Milch und angebrannte Spiegeleier.
    »Als ob es nicht schon genug gottverdammte Köche in der Marine gäbe«, setzte Kleikamp missmutig nach.
    Er unterschrieb ein Formular, hustete feucht darauf und hielt es Ole hin, immer noch ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
    »Ihre Versetzungsurkunde. Wegtreten!«
    Besser, er klärte das Missverständnis gleich auf, bevor es später Ärger gab. Nur wie? Ole zögerte.
    Erst jetzt hob der Kommandant den Kopf und musterte ihn aus trüben, wässrigen Augen.
    »Haben Sie noch was zu sagen?«, fragte er, und sein Desinteresse an einer wie auch immer gearteten Antwort war offensichtlich.
    Ole zögerte.
    »Nein. Melde mich ab!«, sagte er dann rasch, grüßte und verließ eilig die Kammer.
    Draußen im Gang atmete Ole mehrmals tief durch. Dann breitete sich warm die Erkenntnis in ihm aus, dass der liebe Gott in letzter Minute doch noch ein Einsehen mit ihm gehabt und ihm einen rettenden Tampen hingeworfen hatte. Mochte ihm das Missverständnis um seinen Beruf auch später mit lautem Knall um die Ohren fliegen, alles war besser als eine Feindfahrt auf diesem Seelenverkäufer unter dem Kommando eines triefäugigen Gespenstes.
    Im Gehen warf er einen flüchtigen Blick auf seinen Versetzungsbescheid, um herauszufinden, wohin es ihn diesmal verschlagen sollte – und blieb wie angenagelt stehen!
    Dort, in der zweiten Zeile unter »versetzt nach …«, stand Schwarz auf Weiß zu lesen:
    »2. Ausbildungskompanie der Marineoffiziersschule Mürwik, Segelschulschiff Skagerrak , u. d. Kommando von Kapitänleutnant Strasser.«
    Weiter unten waren mehrere Stempel und Unterschriften, von denen sich eine besonders schwungvoll abhob. Es war die Signatur von Konteradmiral Paul Freiherr von Wellersdorff.
    Es dauerte fast eine ganze Minute, bis Ole wieder zu sich kam. Blieben noch neun, bis die Barkasse ablegen würde. Mit einem lauten Jubelruf rannte er los, um seinen Seesack zu packen.
    *
    Wenige Stunden später war die Skagerrak bereits unter vollen Segeln und mit raumem Wind auf dem Weg zurück nach Flensburg, das nach einer Nacht vor Anker am kommenden Mittag erreicht werden sollte. Die Wogen von Oles schwindelhaftem Glücksgefühl hatten sich so weit gelegt, dass er sich den pragmatischeren Problemen seiner märchenhaften Errettung zuwenden konnte. Wie zum Beispiel der Tatsache, dass er an Bord der Skagerrak tatsächlich die Kombüse versorgen sollte. Und das, obwohl er vom Kochen ungefähr so viel Ahnung hatte wie eine Möwe vom Reinschiffmachen.
    »Was sagst du da?«, fragte Heribert Rausch gereizt.
    Der Segelmacher war gerade dabei, Ole in der schwankenden, engen Kombüse in die tieferen Geheimnisse der Kochgerätschaften und Proviantfächer einzuweisen.
    »Ich sagte, ich kann gar nicht kochen«, wiederholte Ole.
    »Das musst du mit von Wellersdorff abmachen«, antwortete Rausch missmutig. »Vielleicht schickt er dich ja zurück auf die Holstein.«
    »Alles, nur das nicht!«
    »Na also«, brummte Rausch. »War nun mal dummerweise der Smut, der ausgefallen ist, und nicht der Segelmachermeister. Du kannst überhaupt von Glück reden …«
    Ole war sich der Verrücktheit seines Schicksals durchaus bewusst. Wieder einmal hatte der Konteradmiral ihn mit einem tiefen Griff in die Trickkiste aus einer scheinbar ausweglosen Zwickmühle befreit. Auch wenn er bei der knappen Begrüßung an Bord der Skagerrak wortlos darüber hinweggegangen war. Und noch eine zweite Sache war mehr als seltsam: Wieder war Ole nur deswegen unter sein Kommando gekommen, weil sich jemand anders eine Verletzung zugezogen hatte.
    »Was ist denn eigentlich mit ihm

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