Die Farbe der See (German Edition)
passiert?«, fragte Ole. »Dem Smut, meine ich?«
»Obermaat Fleck? Och, der …«, machte Rausch und runzelte die Stirn. »Sagen wir mal, er ist über was gestolpert und unglücklich aufgeschlagen.«
Bei dieser wolkigen Andeutung beließ es der alte Segelmacher.
Stattdessen fuhr er mit seinen Erklärungen fort, wann es an Bord der Skagerrak welche Mahlzeit zu geben hatte und wo die dafür notwendigen Rohstoffe lagerten.
»Fürs Erste hast du Glück. Wenn wir unter Segeln sind genügt eine Suppe zu Mittag. Du hast noch eine gute halbe Stunde bis eins. Also halt dich ran.«
Damit wollte er gehen.
»Warten Sie!«, rief Ole und konnte nicht ganz verhindern, dass ein wenig Panik mitschwang. »Ich weiß doch gar nicht, wie das geht, Suppe machen, meine ich!«
»Da oben steht alles drin«, antwortete Rausch und zeigte auf eine kleine, schmierige Kladde, die über der Pantry hinter einem Handlauf klemmte. Damit war er endgültig verschwunden.
Nun denn! Wenn das Schicksal beschlossen hatte, ihn dafür, dass er vom Fronteinsatz verschont bleiben sollte, vom Segelmacher zum Koch zu degradieren, so war dies ein Preis, den Ole zu zahlen bereit war. Mit grimmiger Entschlossenheit machte er sich ans Werk.
Das handgeschriebene, vermutlich von Obermaat Fleck zusammengestellte Büchlein beinhaltete eine bunte Mischung aus Kochrezepten, technischen Hinweisen zur Handhabung des schweren Enders-Petroleumherdes sowie eine Art Speiseplan nebst Haushaltskostenrechnung für die Skagerrak. Letzterem konnte Ole anhand des fortlaufenden Datums entnehmen, dass die Yacht erst vor zwei Tagen in Flensburg ausgelaufen war und noch zwei weitere Wochen Ausbildungstörn vor sich haben sollte.
Für heute Mittag war in Flecks Wochenplan eine Gemüsesuppe mit Griesklößchen verzeichnet. Ole erinnerte sich dunkel, den Smut gestern mit einer Kiste Grünzeug im Arm gesehen zu haben. Tatsächlich fand er diese obenauf im Proviantschapp und ein passendes Rezept weiter vorne im Buch. So weit, so gut. Den schweren Petroleumherd in Gang zu bringen, ohne mit der Stichflamme das ganze Schiff anzuzünden, und einen ausreichend großen Topf mit Wasser darauf zu bugsieren, ohne ihn bei der Krängung und den kurzen, stampfenden Schiffsbewegungen über die Bodenbretter oder das eigene Hemd zu verschütten, das war schon weitaus schwieriger. Ebenso die Sache mit dem Gemüse. Ole war es schleierhaft, wie man eine Karotte putzen oder eine Kartoffel schälen konnte, ohne nicht wenigstens die Hälfte ihres Umfanges dem Abfallkorb zu opfern. Dieser Umstand war es vielleicht auch, der dafür sorgte, dass die Suppe ziemlich dünn ausfiel. Zumal Ole die geplanten Griesklößchen vorsichtshalber gleich ganz ignoriert hatte. Und schließlich war da noch der Gebrauch von Gewürzen und Salz. Spätestens hier versagte das schriftliche Vermächtnis seines Amtsvorgängers vollends, und Ole musste sich auf sein zugegebenermaßen nicht besonders glückliches Händchen verlassen.
Entsprechend verhalten war die Reaktion, als Ole sein Elaborat kurz nach ein Uhr Mittags in dreizehn weiße Porzellanschalen abgefüllt an Deck brachte und an die Crew verteilte. Der Konteradmiral aß lediglich zwei Löffel und ignorierte den Rest. Rausch aß zwar etwas mehr, verzog jedoch das Gesicht und schüttelte unmerklich den Kopf in Oles Richtung. Kapitänleutnant Strasser, ein hagerer, ohnehin schon recht mürrisch wirkender Enddreißiger, dessen scharf geschnittene Nase und tief liegende, dunkle Augen irgendwie an einen auf Beute lauernden Raubvogel erinnerten, schüttete seine Suppe nach drei Löffeln demonstrativ über Bord. Lediglich ein paar von den Offiziersanwärtern aßen ihre Schalen leer – vielleicht weil sie vom Manöverdrill her zu viel Hunger hatten oder ohnehin nichts Besseres gewohnt waren.
Kleinmütig setzte sich Ole in eine Ecke vor den Kajütaufbau, um selber etwas von seiner Suppe zu essen. Sie schmeckte tatsächlich überhaupt nicht. Kaum hatte er die ersten Löffel hinuntergeschluckt, als sich Richard Korfmann mit seiner Suppenschale zu ihm setzte.
»Mann, wo hast du denn kochen gelernt?«, fragte er und grinste Ole in seiner üblichen sonnigen Art an. »Das schmeckt ja wie frisch rausgekotzt!«
»Danke für das Lob!«, antwortete Ole missmutig. »Du bist zu großzügig.«
»Keine Ursache. Aber jetzt sag mal … Wie hast du das nur wieder hingedreht?«
»Was? Die Suppe?«
»Quatsch! Hier an Bord aufzutauchen! Und dann auch noch als Ersatzsmut!«
Ole zuckte die
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