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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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stand.
    Ole konnte einen Salon mit einem weiteren Navigationsplatz, gepolsterten Sitzbänken und einer Koje mit zugezogenem Vorhang erkennen.
    »Was Kapitänleutnant Strasser natürlich gar nicht schmeckt. Der ist normalerweise der Ausbildungsskipper, wenn der Kon.Ad. nicht mitfährt. Jetzt muss er sich mit einer der Kammern für die Offiziersanwärter begnügen. Und die sind natürlich empfindlich kleiner.«
    Rausch deutete auf die Kabinentüren, die entlang des Mittelganges folgten. Drei an Steuerbord, drei an Backbord.
    »In der hier wohnt übrigens Korfmann!«
    Ole äugte neugierig in die von Rausch bezeichnete Kammer hinein. Sie verfügte über zwei Etagenkojen und davor gerade genug Platz, um sich einmal um die eigene Achse drehen zu können. Es gab zwei schmale Spinde. Einer war mit einem Vorhängeschloss gesichert, der andere stand weit offen und gab den Blick frei auf unordentlich durcheinandergeworfene Kleidungsstücke. Ole musste grinsen. Dieser gehörte mit Sicherheit nicht seinem Freund Richard, der stets pedantisch auf Ordnung hielt.
    Rausch zog ihn weiter. Ein paar Meter nach vorne mündete der Mittelgang im geräumigen Salon der Skagerrak. Mehrere Oberlichter erhellten einen mächtigen, langen Tisch, der an beiden Seiten und am Kopfende von lederbespannten Sitzbänken eingefasst wurde. Ole entwischte ein anerkennender Pfiff durch die Zähne.
    »Ist ja riesig!«
    »Täusch dich nicht«, sagte der Segelmacher. »Wir segeln mit vier Mann Stamm und zwölf Kadetten. Da wird’s schon mal ganz schön eng an der Back.«
    Alles, Bodenbretter, Schränke, Wandverkleidung, Sitzbänke und der Tisch, waren aus dem gleichen dunkel schimmernden Holz, das Ole bereits in der Achterkammer und oben im Deckshaus gesehen hatte. Durchaus geschmackvoll, aber längst nicht so üppig wie auf manch anderer Segelyacht dieser Größe. Ein Zeichen dafür, dass die Skagerrak vornehmlich als Regattayacht konzipiert worden war.
    »Tja, und hier vorne hausen Obermaat Fleck, der Smut, und meine Wenigkeit.«
    Durch die vor dem Salon liegende Kombüse und eine weitere Tür erreichten sie die Vorpiek, einen lang gestreckten, niedrigen Raum. Spätestens hier hatte aller Komfort ein Ende. An beiden Seiten unter zwei Bullaugen gab es je einen kleinen Schrank und eine einfache Koje mit Schlingerbrett. Die Bordwände waren gänzlich unverkleidet, und im Abstand von einem halben Meter zueinander sah man die nackten Stahlspanten, auf welche die sechs Zentimeter starken Mahagoniplanken der »Skagerrak« genietet waren. Aufrechtes Stehen war hier nicht mehr möglich. Und nicht nur unter der großen Vorschiffsluke war alles klamm und feucht. Noch weiter vorne in Richtung Kettenkasten entdeckte Ole im Halbdunkel einige große Taurollen und gigantische Segelsäcke.
    »Nicht gerade das Parkhotel, was?«
    Ole nickte. Trotzdem hätte er alles dafür gegeben, dieses Quartier mit seiner Koje unter der tropfenden Abwasserleitung auf der Schleswig-Holstein zu tauschen.
    »Ach herrje, das Ding hab ich fast vergessen«, brummte Rausch und deutete auf ein Segel, das aus einem der Segelsäcke hervorquoll. »Die Baumfock. Unser schnöseliger Supersegler hat sie über die scharfe Kante vom Ankerspill gezerrt.«
    Ole musste grinsen. Rausch hatte Richard Korfmann noch nie leiden können. Er kniete sich hin und nahm den Riss mit Kennermiene in Augenschein. Rausch stand gebückt neben ihm und fuhr sich nachdenklich mit der Hand über die Glatze.
    »Hmm, sag mal, du hast nicht rein zufällig Lust, mir dabei zu helfen? Das Ding ist ein bisschen schwer, um es allein hin und her zu ziehen.«
    Ole blinzelte irritiert. Hatte er sich verhört? Er durfte ein Segel reparieren?
    »Natürlich nur, wenn du Lust hast«, setzte Rausch rasch nach. »Ich will dich nicht um deinen wohlverdienten …«
    »Doch! Doch!«, sprudelte es aus Ole heraus. »Nichts lieber als das!«
    Wenig später saß Ole mit dem schweren Vorsegel auf den Knien unter dem offenen Vorluk, einen fleckigen, abgenutzten Segelmacherhandschuh an der rechten Hand, und wie von selbst glitt die Nadel mit dem geharzten Faden durch das schwere Tuch. Von außen war das vertraute Glucksen des Wassers gegen den Rumpf zu hören, und Ole war, wenn auch nur für den Augenblick, mit sich und der Welt versöhnt.
    »Fast wie früher, hm?«, sagte auch Heribert Rausch.
    Ole lächelte, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Dann hörte er das vertraute Schmatzen und scharfe Luftholen, das stets ein jedes Stück Kautabak begleitete,

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