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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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unerhörten Szene, die sie eben beobachtet hatten.
    Einer nach dem anderen verdrückten sie sich unter Deck, um sich ihrer Sporthosen zu entledigen und ihre Segelbekleidung anzulegen.
    Wenig später waren alle vollzählig an Deck zurück. Alle, bis auf den Kaleu.
    »Also … herhören!«, rief von Wellersdorff. »Sowie wir unter Maschine den Liegeplatz verlassen und in der Hafeneinfahrt die Nase im Wind haben, setzen wir Besan und Baumfock. Das Großsegel bekommt zwei Reffs, geht aber erst hoch, wenn wir weiter draußen sind …«
    Mitten im Satz brach der Konteradmiral ab und starrte auf Strasser, der in diesem Augenblick ebenfalls an Deck gekommen war.
    Er hatte seine volle Uniform angezogen und die weiße Offiziersmütze aufgesetzt. Es war jedoch nicht sein makelloser Paradeaufzug, der alle zum Schweigen brachte, sondern die Pistole, die er auf von Wellersdorff gerichtet hielt.
    Ole hielt, wie alle übrigen, unwillkürlich die Luft an.
    »Admiral Freiherr von Wellersdorff«, rief Strasser, »im Namen des Führers und als ranghöchster Offizier nach Ihnen enthebe ich Sie hiermit gemäß § 39, Absatz 3, Reichskriegsmarinegesetz Ihres Kommandos über dieses Schiff und stelle Sie vorübergehend unter Arrest.«
    Von Wellersdorff musterte den Kaleu aus kühlen grauen Augen. Statt einer Antwort verschränkte er lediglich die Arme vor der Brust und schwieg.
    An seiner Stelle jedoch polterte Rausch los: »Mann, wie können Sie es überhaupt wagen …?«
    »Missachtung der Fahrtgebietsbeschränkung des Marineoberkommandos«, übertönte ihn Strasser, »Zweckentfremdung sowie Gefährdung des ihm anvertrauten Schiffes!«
    Strasser sah sich suchend um. Dann entdeckte er Richard.
    »Fähnrich Korfmann! Sie bezeugen mir den Vorfall!«
    Alle an Deck starrten überrascht zu Richard. Von Wellersdorff nickte langsam, als habe sich soeben eine lange gehegte Vermutung bestätigt. Richards Gesicht war starr und weiß wie Muschelkalk.
    Strasser fuhr ungerührt fort.
    »Bringen Sie ihn in seine Kammer, Korfmann, schließen Sie von außen ab und übergeben Sie mir den Schlüssel.«
    Ole war gespannt, wie Richard sich angesichts dieser Aufforderung verhalten würde.
    Aber von Wellersdorff ersparte ihm das Weitere.
    »Niemand betritt meine Kammer!«, blaffte er. »Und niemand stellt mich unter Arrest!«
    Er schob Rausch beiseite und ging mit drohend ausgestreckter Hand geradewegs auf Strasser zu.
    »Und jetzt geben Sie mir die Waffe und verschwinden Sie von diesem Schiff!«
    Der Kaleu hob die Pistole, lud sie mit einer schnellen Handbewegung durch und richtete sie auf von Wellersdorffs Kopf.
    »Glauben Sie ja nicht, dass es mir schwerfallen würde!«, zischte er, die Augen zu Schlitzen verengt und das Gesicht eine starre, rot geäderte Maske.
    Von Wellersdorff blieb stehen und starrte wütend zurück.
    Dann verlagerte sich seine Blickachse und ging knapp an Strasser vorbei – direkt in Oles Gesicht, der schräg hinter dem Kaleu stand. Auch sein Gesichtsausdruck änderte sich, er zeigte mit einem Mal so etwas wie Irritation oder Besorgnis. Gleichzeitig schüttelte er unmerklich den Kopf, als wolle er sagen: Junge, tu es nicht!
    Ole war zutiefst irritiert. Was sollte das? Er hatte sich doch keinen Zentimeter bewegt.
    Aber genau das war es, was der Kaleu hatte glauben sollen!
    Mit einem raschen Schritt zur Seite fuhr Strasser zu Ole herum, um die Waffe auf ihn zu richten. Aber dazu kam es nicht. Noch bevor Strasser sich auch nur halb hatte umdrehen können, war von Wellersdorff mit einem blitzschnellen Ausfallschritt hinter ihn getreten und schlug Strassers Hand mit der Waffe nach oben. Der Schuss löste sich, pfiff aber nur irgendwo über ihren Köpfen durch die Takelage. Mit dem zweiten Schlag, einem prächtigen linken Aufwärtshaken gegen Strassers Kinn, schickte von Wellersdorff seinen um einen ganzen Kopf größeren Gegner auf die Teakbretter. Dann trat er mit seinem schweren Seestiefel auf Strassers Handgelenk, nahm ihm die Waffe ab, und richtete sie nun seinerseits auf ihn.
    »In fünf Sekunden sind Sie von meinem Schiff verschwunden!«, knurrte er, als habe er sich lediglich beim ersten Mal nicht ganz verständlich ausgedrückt. »Eins … zwei … drei …«
    Der Kapitänleutnant rappelte sich auf und beeilte sich, an Land zu kommen. Offensichtlich hatte er keinerlei Zweifel, dass auch von Wellersdorff nicht zögern würde, die Waffe zu benutzen.
    »Gottverdammter Idiot! Das hat uns nichts als wertvolle Zeit gekostet!«, raunzte

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