Die Farbe der Träume
Arbeiten eher mechanisch, ohne mit den Gedanken dabei zu sein. Er wusste, dass sein Leben hier in Kokatahi zu einer Schlafwandlerexistenz geworden war.
Allein in seinem Zelt, untersuchte er, wenn er nicht gerade von Albträumen verfolgt wurde, die goldenen Körner, die Harriet ihm gebracht hatte. Es fiel ihm inzwischen schwer zu glauben, dass das, was er in der Hand hielt, wirklich Gold war. Manchmal kratzte er mit dem Fingernagel an den Körnern, halb in der Erwartung, die Glanzschicht würde abblättern und es käme stumpfes Metall darunter zum Vorschein. Harriets Fund hatte für ihn etwas Illusionäres; er war zu einfach, der Zeitpunkt zu auffällig gewesen. In ihm wuchs der Verdacht, Harriet hätte ihngetäuscht, denn er wusste, wie leicht sie ihn überlisten konnte, und er verfluchte seine Eltern – vor allem seinen Vater –, weil sie ihm einen so trägen, so mittelmäßigen Verstand vererbt hatten. Wenn er doch nur klüger wäre, dachte er, dann hätte ihn das Leben nicht so schlecht behandeln können.
Doch zu anderen Zeiten sah er alles in einem positiveren Licht.
Dann ermahnte er sich, geduldig zu sein, seiner Frau zu vertrauen, den Monat, auf den sie sich geeinigt hatten, auszuharren und auf keinen Fall Harriets Lager weiter oben am Fluss aufzusuchen und dabei Gefahr zu laufen, dass andere Männer aus Kokatahi ihm folgten. Ihren Plan hielt er für raffiniert. Sie hatte begriffen, was nötig war; sie hatte gesehen, dass sie beide nur eine Chance hatten, wenn sie der Menge voraus waren.
Dass Harriet ohne Berechtigung nach Gold schürfte, beunruhigte Joseph gelegentlich, aber er sah keine Möglichkeit, eine Schürflizenz zu kaufen und gleichzeitig den Ort geheim zu halten. Deshalb versuchte er, sich die Angelegenheit »zurechtzudenken«, und sagte sich, sie »stöbere« doch nur ein bisschen und besitze auch keine richtige Ausrüstung. Und wenn das Gold erst einmal in Sicherheit gebracht wäre, würde er auch einen Handel mit dem Schürfbüro der Regierung machen und, falls nötig, jemanden bestechen oder sich ahnungslos stellen: »Meine Frau war auf der Suche nach einer Freundin der Orchard-Familie, Sir. Sie ist ganz zufällig auf Gold gestoßen, als sie sich die Füße im Fluss wusch …«
Und dann, im mückenverseuchten Hotel in Hokitika, würde er das ganze Gold zusammensammeln und mit den Armen umfangen und wissen, dass er endlich frei war. So frei wie Hamish McConnell. Auch für ihn würde ein neuer Lebensabschnitt beginnen, er würde ganz von vorn anfangen. Denn jetzt wusste Joseph Blackstone, was er gern tun würde: Er wollte bei Rebeccas Familie Wiedergutmachung für sein Verbrechen leisten.
In seinen Albträumen kehrte er nach Parton zurück. Zurück in die Zeit vor dem Verbrechen, als er den Plan mit seinem Freund, dem Tierarzt Merrick Dillane, schmiedete, einem Mann, der über sanfte, rote Hände, eine weiche Stimme und einen kalten, berechnenden Verstand verfügte. Wie lässig hatten Dillane und er damals die Geschichte hinter sich gebracht, getan, was zu tun war, und dann waren sie wegmarschiert und hatten sich für sehr schlau gehalten und eine Zeitlang auch für frei! Er wusste noch genau, dass die ganze Geschichte, von Anfang bis Ende, mit Dillanes Wunsch, ein übellauniges Shire-Pferd loszuwerden, zu tun hatte …
Merrick Dillane züchtete Shires in seiner Freizeit. Besonders die grauen liebte er und striegelte gern die Haarbüschel an ihren Fesseln. Nun hatte er aber eine Stute, die Dido hieß und ihn dabei jedes Mal biss. Sie trat gegen den Zaun und buckelte auf der Gänseblümchenwiese wie ein junger Ochse und ärgerte Dillane mit ihrer Unbezähmbarkeit ganz außerordentlich.
Dillane suchte seinen Freund Joseph, den Viehauktionator, auf und erklärte, er würde Dido gern verkaufen. Das war am selben Tag, an dem Joseph von Rebecca erfuhr, dass sie schwanger war.
Beides würde für Joseph nun immer aneinandergekoppelt sein: das Kind und das Pferd.
Schnell war er da, der Plan, in Josephs Kopf ,und ebenso schnell ausgeführt. Joseph erklärte Merrick Dillane, er könne ihm ein »hübsches Sümmchen« für Dido auf seinen Auktionen garantieren, wenn er ihm bei der Lösung eines Problems helfe, das ihn gerade beschäftige. Er nannte es »helfen«, und auch Dillane nannte es so. Er würde seinem Freund helfen. Gemeinsam würden sie Rebecca helfen. Wozu hatte man denn Freunde!
Dillane versprach Joseph, dass Rebecca keinerlei Erinnerung an das haben werde, was sie mit ihr vorhatten. Er
Weitere Kostenlose Bücher