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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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sagte, es werde keine Spuren in ihrem Bewusstsein hinterlassen, es werde sich verflüchtigen, als hätte es nie stattgefunden . »Alles, woran sie sich erinnern wird«, sagte er, »ist das Fohlen …«
    Die beiden nahmen sie mit zu einem neugeborenen Shire-Fohlen in Dillanes Ställen. Die weichherzige Rebecca hatte eine Schwäche für kleine Lebewesen. Sie beugte sich über das Stallgatter – wie Joseph und Dillane erwartet hatten, ganz hingerissen von dem Fohlen – und flüsterte zärtlich wie mit einem eigenen Baby mit ihm. Sie streckte die Hand aus, um es zu streicheln. Und im selben Moment sank sie plötzlich in Schlaf durch ein Tuch, das ihr unter die Nase gehalten wurde. Getränkt war es mit Äther, der mit einem milchigen Opiat versetzt war, einem »nützlichen Dampf«, den Dillane selbst entwickelt hatte und der bei dankbaren Farmern und anderen Kunden »Dillanes Traum« hieß.
    »Gut«, sagte Dillane. »Jetzt segelt sie auf der Wolke des Vergessens.«
    Sie trugen Rebecca in Dillanes Haus und legten sie auf den Operationstisch, auf dem sonst Schafe, Katzen und Bullterrier untersucht wurden, und Dillane zog seine Chirurgenschürze und seine Handschuhe an. Er sagte, Joseph könne dableiben und »die Sache mitansehen«, wenn er wolle, aber Joseph merkte, dass ihm schwindelig wurde, als hätte er auch etwas von dem Dampf eingeatmet. Außerdem wollte er lieber nicht wissen , wie es gemacht wird. Er wollte es sich später nie vorstellen müssen. Er wollte sich einbilden können, eigentlich sei nichts geschehen, und das, was in der Folge passieren würde, sei von ganz allein passiert, nicht durch Betreiben oder ein Verschulden von Joseph Blackstone.
    Also verließ Joseph den Raum. Es ging sehr schnell. Mit den chirurgischen Instrumenten in seinen roten Händen, spreizte Merrick Dillane Rebeccas Beine, langte hinein und vollbrachte mit zwei Stichen das, was zu tun war. Er vergewisserte sich, dass die Uteruswand aufgerissen war. Dann trat er vor die Tür und erklärte Joseph, dass »unsere Rolle in dieser Sache fast beendet« sei.
    Die beiden Männer trugen Rebecca wieder zu den Ställen und legten sie auf den Boden nebem dem Fohlenverschlag, und zwargenau dorthin, wo sie zuletzt gestanden hatte. Sie ließen sie eine Weile schlafen und klopften ihr dann auf die Wange, um sie zu wecken. Und als sie die Augen öffnete, erklärten sie ihr, sie sei ohnmächtig geworden. Sie gaben ihr Riechsalz, und Dillane ging ein Glas Wasser holen, und Joseph streichelte ihr lockiges Haar, und sie klammerte sich an ihn und sagte: »Du lieber Himmel, Joseph Blackstone, dieses Kind von dir hat schon einen ganz schönen Tanz aufgeführt.«
    Sie trank das Wasser, das Dillane ihr reichte. Sie stand auf, glättete ihren zerknautschten Rock und versuchte zu lächeln. Dann hob Joseph sie in seinen Ponywagen und fuhr sie nach Hause.
    Das war das letzte Mal, dass er sie sah.
    Dillane hatte ihm versprochen, es werde »alles ganz genauso verlaufen wie bei einer normalen Fehlgeburt«.
    »Und dann ist sie wieder wie vorher?«
    »Oh ja. Sie wird wieder völlig gesund sein.«
    Aber Rebecca Millward wurde nie wieder gesund.
    Sie blutete drei Tage lang und starb am vierten an Blutvergiftung.
    Vielleicht war das Instrument, mit dem Dillane die Uteruswand zerrissen hatte, nach einer Tieroperation nicht richtig sterilisiert worden. Niemand würde es jemals wissen. Alles, was sie wussten, war, dass Rebecca Millward an einem heftigen Kindbettfieber gestorben war, das kein Arzt heilen konnte.
    Joseph Blackstone stand auf der Straße und sah, wie ihr Sarg zur Kirche in Parton getragen wurde, und er wusste, dass es nun zwischen ihm und einem Mann, der einen Mord begangen hat, keinen Unterschied mehr gab.
    Der Albtraum hörte aber nicht dort auf.
    Die Versteigerung des Shire-Pferds verlief nicht wie geplant. Joseph hatte jemanden dafür bezahlen wollen, dass er sich in die Menge stellte und Didos Preis hochtrieb. Sein Vater hatte dieseMethode gelegentlich angewendet, meist mit gutem Erfolg und mit vielen Krügen Bier im Plough and the Stars, wo anschließend gefeiert wurde. Doch der Anblick von Rebeccas Sarg hatte ihm derart zugesetzt, dass er diesen notwendigen Teil des Plans ganz und gar vergessen hatte. Und als der Tag der Auktion kam, schienen die versammelten Bieter schon zu wissen, dass Dido ein übellauniges Pferd war. Niemand wollte es. Josephs Hammer sauste bei einer läppischen Summe nieder.
    Und dann sah er Merrick Dillane herbeischlendern. Dillane

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