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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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nahm ihn beiseite und führte ihn weg von der Menge auf dem Markt. Er piekste mit dem Finger auf sein staubiges schwarzes Merkbuch. Er sagte, seinen Teil des Handels habe er erledigt; jetzt wolle er »eine korrekte Summe« für sein Pferd.
    »Rebecca ist gestorben …«, war alles, was Joseph stammeln konnte. »Du hättest sie nicht sterben lassen dürfen.«
    Aber Merrick Dillane ließ ihn einfach stehen. Er drehte sich nur noch einmal um und sagte, er werde dem ganzen Dorf erzählen, worum Joseph ihn gebeten habe.
    Und da wusste Joseph nicht, wie er dieser Dunkelheit, die sich jetzt um ihn zusammenzog, entkommen konnte, außer dadurch, dass er seinen eigenen Tod herbeiführte und denselben Weg ging, den sie, in ihrer Eichenkiste, zur Erlöserkirche in Parton Magna gegangen war, wo zwischen den alten Gräbern die Schlüsselblumen leuchteten.
    Er war hilflos. Er bezahlte Dillane, aber er wusste, es würde nicht dabei bleiben. Dillane würde immer mehr verlangen. Josephs Geld schmolz dahin. Selbst Lilian, vor der er sonst so vieles verbergen konnte, merkte, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie versuchte, ihn mit seinen Lieblingsgerichten und kleinen Freundlichkeiten aufzuheitern. Doch nichts konnte seine Düsternis vertreiben. Nichts auf der ganzen Welt, bis er Harriet Salt kennenlernte und begriff, dass diese hoch gewachsene junge Frau einen Ehemann suchte.
    Er verbrannte all die kleinen, unbedarften Zettelchen, dieRebecca ihm geschrieben hatte. Er legte die Locke, die sie ihm geschenkt hatte, in seine Schachtel mit den Köderfliegen. Er umwarb Harriet mit Träumen von einem Leben in der Ferne, einem Leben, das im Land der langen weißen Wolke einen neuen Anfang nehmen würde …
    Eine einfache Geschichte, dachte Joseph, als er da in seinem muffig riechenden Zelt lag. So einfach in der Weise, wie sich eines aus dem anderen ergab; so tödlich in ihrem Ergebnis.
    Schaden, der durch weiteren Schaden verschlimmert wird.
    Schaden, der wächst, sich ausweitet, verzweigt, vervielfältigt, nie endet …
    Doch jetzt würde der Schaden bald ein Ende haben. In seinen helleren, optimistischeren Momenten versuchte Joseph sich damit zu beruhigen. Das Elend würde endlich ein Ende haben. Harriet hatte Gold gefunden.
    Und dann gestattete Joseph sich den Gedanken, dass hier in Kokatahi zwar der Winter im Anmarsch war, aber in England würden die Jahreszeiten wieder ihren normalen Verlauf nehmen. Und wenn er dann endlich Parton wiedersähe und vor der Tür der Millwards stünde, um sich von seinem Geheimnis zu entlasten, dann könnte, wer weiß, ein fast vertrockneter Rosenstock doch noch eine zweite Blüte ansetzen.

Z WISCHEN ZWEI W ELTEN
I
    Pare führte Flinty Fairford und Johnboy Shannon auf einem sumpfigen Pfad durch das Tal des Arahura-Flusses zu dem vergrabenen Wald, den sie ihre Stammesältesten hatte beschreiben hören. Der morastige Boden tat ihren Füßen gut; das Gehen schmerzte nicht mehr so.
    Eine Zeitlang hatten sie noch den Wind vom Meer im Rücken. Aber als der Fluss sich dann teilte und sie seinem nördlichen Lauf folgten, legte er sich, und Pare blieb stehen, setzte ihr Bündel ab, blickte um sich und schnupperte die Luft. Sie hatte gehört, dass man die uralten Bäume, die da unter der schwarzen Erde versteinerten, riechen konnte. Es sei ein Geruch wie von Pilzen, streng und dunkel, und sie hatte das Gefühl, dass sie fast da war.
    Sie gingen noch ein bisschen weiter und fanden Hinweise auf Goldgrabungen, die aber offenbar aufgegeben worden waren.
    »Ich fange nicht an zu graben, wo es schon ein anderer Lümmel vergeblich versucht hat«, verkündete Flinty. »Wenn ich schon scheitere, will ich wenigstens an einer frischen Stelle scheitern.«
    Pare und die beiden Männer liefen weiter. Pare konnte Frösche im Schilf quaken hören. Sie wusste, dass auch Aale in diesem Sumpf lebten, gut getarnt zwischen den schwarzen Ästen der begrabenen Bäume, und dass das Fleisch dieser Aale so fest und ölig und nahrhaft war, dass es sich nur schwer hinunterschlucken ließ, dafür aber sehr lange satt machte. Und Pare dachte, sie könnte versuchen, Aale zu fangen und sie mit ihrem Haifischzahnmesser zu töten.
    Pare wusste nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Sie hatte gehofft, dass sie ihren Anteil abbekommen würde, wenn sie die Männer zum Gold führte. Wenn sie nun aber nach Aalen grub, was konnte sie dann daran hindern, in der Erde auch selbst nachGold zu suchen und es in ihrem Bündel zu verstecken, falls sie etwas

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