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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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eingefallen war;es handelte von einem Flusspferd. Harriet genoss das Essen und das Feuer im Kamin und wartete darauf, dass sie die Geschichte von Beautys Tod im Schnee erzählen konnte.
    Als es schließlich so weit war, starrten die drei Gesichter sie an, als wäre sie ein Wasserfall, dessen senkrechten Sturz in den Abgrund sie bewunderten. Wahrscheinlich versuchten sie zu ergründen, was das für Menschen sein mussten, die auf die Idee kamen, einen Teppich über eine Kuh zu legen, dachte Harriet. Edwin fragte ganz besorgt: »Wieso haben Sie Beauty nicht in ihren Stall gebracht?«
    »Weil es keinen Stall gibt«, antwortete Harriet.
    »Das war das Problem«, meinte Dorothy freundlich. »Genau wie mit den Schafen, wenn plötzlich ein scharfer Südwind bläst. Dann gibt es nie genug Unterstände.«
    Toby Orchard wedelte sich die Krumen vom Revers. Er tat das ungeduldig, ehe er dann zu sprechen begann.
    »Als wir hier mit der Farm begannen«, sagte er schließlich, »verloren wir bei jedem Unwetter Vieh. Schafe können glatt von den Bergen geweht werden, oder sie husten, bis es ihnen die Lunge zerreißt, oder sie drängen sich ganz unten am Flussufer aneinander und ertrinken. Aber ich sagte damals zu Dorothy, was ich heute auch Ihnen sage: Man darf niemals aufgeben . Bauen Sie weiter. Bauen Sie eine Scheune aus Lehm. Decken Sie das Dach mit Ti-Ti-Blättern. Oder sonst irgendwas. Sie wohnen sehr hoch da oben beim Okuku, und der Südwind wird in diesem Winter mehr Schnee bringen, als Sie jemals in Norfolk gesehen haben. Vergessen Sie nicht, auf welchem Breitengrad die Südinsel liegt! Reicht fast an fünfzig Grad südlicher Breite. Kaufen Sie eine neue Milchkuh, und Sie werden sie ebenfalls verlieren – es sei denn, Sie lassen sie mit unter Ihrem eigenen Dach wohnen.«
    Während Dorothy nickte und Edwin seinen Vater ernst ansah, versuchte Harriet sich vorzustellen, was Lilian wohl dazu sagen würde, wenn sie das Lehmhaus mit einem Tier teilenmüsste. (»Da weigere ich mich schlicht und einfach, Joseph. Warum legst du die Kuh nicht gleich in mein Bett, und ich gehe nach draußen und schlafe im Schnee!«)
    In ihren Mundwinkeln erschien ein leichtes Lächeln, während Toby fortfuhr.
    »Wir können Ihnen Milch verkaufen«, sagte er. »Bei dieser Kälte bleibt sie einige Tage frisch. Wenn Sie den Schuppen gebaut haben, mähen Sie das Tussockgras vom letzten Jahr, anstatt es zu verbrennen, und trocknen Sie es im Wind. Stroh gibt es natürlich nicht in der Steppe, aber Tussock tut es auch, und Kühe brauchen eine Menge davon, um sich warm zu halten.«
    Harriet nickte.
    Edwin sagte: »Arme Beauty.«
    »Haben keinen Pelz, die Kühe«, fuhr Toby fort. »Und zu große Nüstern. Atem friert und blockiert den Luftkanal, dann versuchen sie, durch die Schnauze zu atmen, und die Kälte verbrennt ihnen die Kehle. Sie müssen bis zum Oktober warten, wenn der Frühling kommt.«
    Harriet sagte: »Joseph dachte, er kennt sich mit Vieh aus …«
    »Nützt nichts«, sagte Toby, »nützt nichts, solange man sich nicht auch mit dem Wetter auskennt.«
    Das Dienstmädchen trug die Reste der Taubenpastete ab und brachte einen zitternden weißen Pudding, den sie zielstrebig vor Dorothy hinstellte. Offensichtlich wusste sie, dass so ein substanzloser Pudding keine echte Herausforderung für Tobys Künste darstellte. Als er seine Portion Süßspeise erhalten hatte, legte er seine große Pranke um einen Löffel, aß ein bisschen vom Pudding und ließ ihn dann stehen, schob den Teller weg und wischte sich nicht nur den Mund, sondern auch Nase und Augen mit der Serviette ab. Dorothy blickte ihn wachsam an.
    »Toby ist von morgens bis abends draußen auf den Weiden«, sagte sie leise zu Harriet, »und zur Abendbrotszeit ist er dann sehr müde.«
    »Entschuldigen Sie mich, Mrs Blackstone«, sagte Toby Orchard, stand auf und streckte sich. »Ich werde jetzt zu Bett gehen und den Nachtvögeln lauschen.«
    Zu Dorothy sagte er noch: »Vielleicht zeigst du unserem Gast nachher Mollie.«
    »Aber gewiss, Liebling«, erwiderte Dorothy.
    »Gute Nacht, Papa«, sagte Edwin.
    Toby ging um den Tisch zu seinem Sohn, der noch seinen Pudding aß, und legte seine große Hand zärtlich auf Edwins Kopf. »Ich habe dein Flusspferdgedicht auch gehört«, sagte er, »ich fand es sehr gut.«
    Dorothy und Harriet saßen am Kamin und starrten ins Feuer.
    »Sie werden bald feststellen, in was für eine winzig kleine Welt Sie geraten sind«, sagte Dorothy. »Unendlich weit da

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