Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
die Dunkelheit, hinaus in die gewaltige, konturenlose Nacht.
    Harriet brach als Erste das Schweigen: »Wieso warten Sienicht bis morgen?«, sagte sie. »Meinst du nicht auch, Joseph? Du könntest ihnen dann den Weg zur Straße nach Amberley zeigen …«
    »Nein, nein«, sagte Hopton, »wir wollen Ihnen doch keine Mühe machen.«
    »Das ist keine Mühe«, sagte Harriet rasch. »Sie können hier auf dem Boden schlafen. Lady passt auf Sie auf.«
    »Das sehe ich auch so«, sagte Lilian, und für Joseph klang ihre Stimme genau so wie einst in Parton Magna, wenn Roderick ihr zu viel Kräuterlikör eingeschenkt hatte. »Ich bin ganz und gar einverstanden. Seht euch nur Mr McGee an. Er kann kaum noch die Augen offenhalten.«
    »Es geht gleich wieder«, sagte Bunny, aber Lilian legte ihm die Hand so energisch auf den Arm, als wollte sie ihn ins Kinderzimmer führen, wo über Nacht die Lampe brennen und eine Spieldose ihn in den Schlaf singen würde. »Sie brauchen Ruhe«, sagte sie. »Und morgen früh ziehen Sie dann weiter.«
    Harriet lag in ihrem Kattunzimmer und hörte die Männer schnarchen. Sie dachte, dass vielleicht nur sorglose Menschen schnarchten, denn wer Sorgen hatte, schlief krumm und verdreht und mit der Nase im Kissen.
    Sie versuchte sich vorzustellen, wie es Hopton Fellwater und Bunny McGee wohl ergehen mochte, wenn sie sich durch die mächtigen, schattigen Wälder und die langen, stillen Täler des Taramakau kämpften. Sie besaßen keine Mäntel. Der Karren, den sie noch mit sich zogen, würde, lange bevor sie die Westküste erreichten, auseinanderbrechen. Und dennoch beneidete sie die beiden. Sie würden Wasserfälle überqueren. Sie würden den schönen neuseeländischen Eisvogel sehen. Sie würden von Farnwurzeln und Elritzen leben. Sie würden in Grünsteinhöhlen schlafen.
    Harriet nahm sich vor, aufzustehen, bevor die Männer aufbrachen. Sie wollte ihnen ein ordentliches Stück Schinken braten und sie fortziehen sehen, hinten an ihrem Garten entlang zu der Straße nach Amberley. Doch sie verschwanden wie Geister, noch bevor es hell war. Zurück blieb ein kleines öliges Muster auf dem staubigen Boden, von den zum Schweigen gebrachten Rädern ihres Karrens.
IV
    Joseph stand an seinem Teich und blickte hinein. Anfangs war das Wasser über dem Kiesbett, das er gelegt hatte, schön klar gewesen, doch jetzt wirkte es schlammig und trüb, und seine Idee, hier Regenbogenforellen zu züchten, war damit hinfällig geworden. Toby Orchard hatte ihn daran erinnert, dass Forellen eine kräftige Strömung brauchen; in dieser gefängnisartigen Umgebung würden sie nicht lange überleben. Also blieb der Teich leer. Mit Bäumen war er auch nicht bepflanzt worden. Es war einfach ein nackter Krater in der Landschaft.
    Es wurde allmählich Abend, und Joseph sah, wie die Stechmücken im bernsteinfarbenen Sonnenlicht direkt über dem Wasser tanzten. Dann störte etwas die stille Oberfläche, kleine kreisförmige Wellen bildeten sich und verschwanden wieder. Joseph starrte auf die Stelle, wo das Wasser sich gekräuselt hatte. An einem Fluss in Norfolk wäre das für ihn der Hinweis auf einen auftauchenden Fisch gewesen, und ihm kam der Gedanke, dass beim Ableiten des Flusswassers vielleicht ein Fisch mit in den Teich geflutscht war, der nun hier seine gemächlichen Kreise zog. Mit Angleraugen verfolgte er die Wanderung seines eigenen Schattens auf dem Wasser, während er langsam um den Teich herumlief, bis der Schatten hinter ihn fiel. Er wartete.
    Noch leuchteten die Mückenflügel im letzten Sonnenlicht. Dann ein erneutes Zucken, und wieder kräuselte sich das Wasser. Für Joseph eindeutig ein Fisch, der auf Nahrungssuche andie Oberfläche schoss. Und mit einem unerwartet intensiven Glücksgefühl dachte er, dass die Natur doch hin und wieder ganz absichtslos die Wünsche des Menschen erfüllte – durch einen glücklichen Zufall, durch ein nicht vorhersagbares Zusammentreffen von Zeit und Materie.
    Er lief rasch zum Lehmhaus zurück, wo er niemanden antraf. Seit einer Weile schon half Lilian ihrer Schwiegertochter gern beim abendlichen Gießen, und er konnte die zwei Frauen im Garten freundlich miteinander plaudern hören. Er war froh, dass er mit keiner der beiden reden musste.
    Er ging zu seiner Truhe, öffnete sie und holte seine Lieblingsangel und verschiedene Fliegenköder heraus. Er schaute die braune Haarlocke an, die er Rebecca abgeschnitten hatte, und seine Hand zuckte, als wolle er danach greifen, doch dann ließ

Weitere Kostenlose Bücher