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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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noch.
    Eigentlich fand Harriet es sinnlos, sich mit diesen Dingen herumzuquälen, trotzdem beschäftigte sie sich tagtäglich damit. Meist kamen die Gedanken gegen Abend, wie Krähen, die sich in der Dämmerung versammeln. Sie hätte sich gern einem anderen Menschen anvertraut. Vielleicht wollte sie ja nur hören, dass das Leben fast aller Menschen sich um eine leere Mitte dreht, dass dort, wo die Liebe hätte sein sollen, nichts war und dass sie mit ihrem Dilemma nicht allein dastand.
    Sie stellte sich vor, wie Dorothy Orchard ihr erzählte, dass sie Toby gar nicht liebe, und vielleicht etwas sagte wie: »Das istvollkommen in Ordnung, Harriet. Es ist sogar von Vorteil , weil Liebe die Menschen nur wild und kopflos macht. Also ist es im Grunde besser, ohne Liebe zu leben.«
    Es tröstete Harriet, sich dieses Gespräch auszumalen, aber sie glaubte nicht, dass es jemals stattfinden würde, denn was sie bei ihren diversen Besuchen auf der Orchard-Farm nicht übersehen konnte, war Dorothys demonstrative Leidenschaft für Toby. Wenn sie seine laute Stimme in der Diele hörte, wenn er dröhnend »Doro! Doro!« rief, fuhr sie sich mit fliegenden Händen an den Kopf und versuchte, ihre in alle Richtungen abstehenden Haare irgendwie zu ordnen. Und wenn er dann den Raum betrat, formte sich ein Lächeln auf ihren Lippen, als wäre er der einzige Mann auf der ganzen Welt, der sie erfreute.
    Harriet merkte, dass sie sogar neidisch auf Edwin war, weil er heimlich mit Pare reden und ihr alles erzählen konnte, was ihn bewegte. Ihr kam der verrückte Gedanke, dass es das war, dass sie sich genau so etwas sehnlichst wünschte: die Begegnung mit einem Fremden, der einen Umhang aus Federn trug.
    Unterdessen briet sie die Enten, und die drei ließen sich zu ihrem Weihnachtsmahl nieder, und die blauen Vorhänge schützten sie vor der Sonne, und die Farnwedel rochen nach dem Erdreich. Sie tauschten keine Geschenke aus. Als es allmählich dunkler und kühler im Raum wurde, sang Lilian für sie. »Jesus wohnt in meinem Herzen.« »Stille Nacht, heilige Nacht.«
III
    Sie begannen, den Regen herbeizusehnen.
    Tag um Tag wehte ein heißer Nordwind, von den bestellten Feldern wirbelte Staub auf, und der Weizen sah kläglich aus.
    »Wir haben doch den Bach«, sagte Joseph. »Wir müssen neue Kanäle graben und uns ein Bewässerungssystem ausdenken.«
    Unter dem Tussockgras war die Erde steinhart. Joseph entwarf Skizzen zum Verlauf der Kanäle, und sie machten sich tapfer daran, die Pläne auszuführen, aber die Entfernungen waren zu groß, als dass die Aufgabe bewältigbar erschien. Harriet schrieb an ihren Vater: Unser Leben besteht jetzt aus Graben. Wir graben von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, und die ganze Zeit ist der Himmel über uns ein einziges leeres Blau.
    Der Garten gedieh aber gut, weil Harriet ihr Gemüse aus Eimern und Kanistern goss, die sie im Bach füllte. Sorgsam verwertete sie alles, was sie fand, für die Schweine und die Hühner, jede Schnecke, jeden Wurm, jedes fedrige Karottengrün, jeden Zwiebelstiel und jedes beschädigte Salatblatt.
    Neben der Schubkarre saß Lady, wedelte mit ihrem schwarzen Schwanz und beobachtete Harriets achtsame Hände. Und wenn Harriet den Grünabfall zu den Schweinen trug, sprang Lady um die Tiere herum und trieb sie, wie eine Schafherde, zu einer ordentlichen Gruppe zusammen. Lady war nun kein Junghund mehr, und Harriet schrieb an Henry Salt:
    Lady kann jetzt den Staub überholen. Eine lehmfarbene Wolke steigt aus den kümmerlichen Feldern auf, leuchtet golden in der Sonne und wirbelt hinauf zu den Bergen. Und Lady sieht das und jagt hinterher, und ich staune, dass sie manchmal schneller ist als der Wind.
    Eines Abends, es war schon spät, und Harriet goss gerade die letzten Pflanzen in ihrem Garten, begann Lady plötzlich zu bellen. Harriet blickte hoch und sah zwei Männer zwischen den Buchen auftauchen und zum Bach hinuntergehen. Der eine zog einen voll beladenen Karren, dessen Räder laut quietschten – ein ungewohntes, irritierendes Geräusch in dem stillen Tal.
    Als die Männer den Hund hörten, schauten sie zu Harriet hinüber. Sie waren schon fast am Wasser, und Harriet sah, wie sie zögerten, doch dann war ihr Durst stärker, und sie liefen zum Ufer hinunter, hockten sich nieder und tranken.
    Lady sauste los zu den Männern, und Harriet hörte den einen laut schreien: »Pass auf! Da kommt ein Hund!«
    Harriet eilte den Hügel hinunter und rief Lady zurück. In all den Monaten, die

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