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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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sie nun schon hier lebten, hatten niemals Fremde ihr Land betreten, und Harriet hätte gern Joseph zur Seite gehabt, damit er sie zur Rede stellte. Aber Joseph war weit weg beim Teich, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als weiterzugehen, sich die Hände an ihrer Schürze abzuwischen und tapfer in ihren staubigen Stiefeln auszuschreiten. Lady kam nicht zurück, lief aber auch nicht direkt auf die Männer zu, sondern blieb bellend und knurrend in einiger Entfernung sitzen und wartete auf Harriet. Die legte die Hand auf ihr Halsband und beruhigte das Tier. Die Männer standen neben ihrer Karre. Sie trugen breitkrempige Hüte gegen die Sonne, ihre Gesichter lagen im Schatten.
    »Ihre Farm?«, fragte der eine Mann. »Aber was trinken können wir doch wohl, Miss?«
    Seit ihren Zeiten als Gouvernante war Harriet nicht mehr »Miss« genannt worden.
    So wie sie selbst sich fragte, wer diese Fremden wohl sein mochten, fragten die Männer sich bestimmt auch, was eine Frau hier so allein zu suchen hatte.
    »Selbstverständlich können Sie hier trinken«, antwortete sie. »Aber ich fürchte, Sie haben sich verirrt. Sie sind sehr weit von der Straße abgekommen.«
    Der Jüngere der beiden schaute den anderen an, der auch als Erster gesprochen hatte, und der sagte jetzt: »Abkürzung. Zum Fuhrweg nach Amberley. Aber wir sind wohl zu weit nach Westen geraten?«
    Harriet war noch nicht in Amberley gewesen, aber sie wusste, es lag ein ganzes Stück entfernt in Richtung Küste.
    »Wenn Sie in diese Richtung weiterlaufen, kommen Sie in die Berge …«
    »Haben wir uns doch gedacht, was, Bunny? Wir haben uns gedacht, dass es da nicht weitergeht.«
    Harriet blickte zu dem hoch beladenen, mit Sackleinen abgedeckten Karren. Der Ältere wischte sich den Nacken mit einem Tuch und sagte: »Wir würden gern um etwas Öl bitten, wenn wir dürfen. Falls Sie was haben …?«
    »Öl?«
    »Für die verdammten Räder. Hat erst gerade angefangen, dieses Quietschen. Macht uns wahnsinnig.«
    »Genau«, sagte der Jüngere. »Hätten ihn fast stehen lassen, den Wagen da.«
    »Geht aber nicht«, sagte der andere. »Schlüssel zu unserem Glück, verstehen Sie? Wenn wir demnächst aus der anderen Richtung zurückkommen, sind wir gemachte Leute.«
    Lady hatte aufgehört zu bellen, dafür jaulte sie jetzt beleidigt, weil sie nicht zu den Männern durfte, um sie zu beschnüffeln und zusammenzutreiben …
    »Hübscher Hund. Collie«, sagte der Jüngere. »So einen hätt ich selbst gern.«
    Harriet hielt Ladys Halsband ganz fest.
    »Keine Hunde erlaubt auf den Feldern«, sagte der Ältere und grinste. »Nur menschliche Köter.«
    »Welchen Feldern?«, fragte Harriet.
    »Bei den Grabungen. Wissen Sie denn nicht, wohin wir wollen?«
    »Nach Amberley.«
    »Zum alten Fuhrweg. Bringt uns zum Hurunui, jedenfalls bis kurz davor. Zur Waitohi-Schlucht. Und ab da muss man sich selbst durchschlagen. Über den Sattel, und dann geht‘s bergab. Aber sie sagen, bergab ist es am schlimmsten. Sie sagen, bergab friert dir die Seele ab.«
    Jetzt sah Harriet die Männer voller Bewunderung an. Sie hatten vor, sich über die Berge zu quälen, den ganzen Weg bis zur Westküste. Offenbar besaßen sie nichts, kein Pferd, keine Waffen, nur einen Handkarren. Sie hatten vor, die »Treppe zur Hölle« zu bezwingen, und glaubten, sie würden es schaffen.
    »Kommen Sie doch mit ins Haus«, sagte Harriet. »Da können wir dann die Räder ölen, und Sie essen mit uns zu Abend, ehe Sie weiterziehen.«
    Sie hießen Hopton Fellwater und Bunny McGee. Hopton mochte an die fünfzig sein und Bunny vielleicht fünfzehn Jahre jünger, aber sie waren gemeinsam aus Peebles im schottischen Grenzland hergekommen, »beide ohne Kind und Kegel«. Sie sagten, für Otago seien sie zu spät gewesen, da habe es »nichts mehr gegeben, außer gerade mal ein bisschen blasses Zeug am Clutha-Fluss«, aber sie hätten gehört, am Grey und am Hokitika, da gebe es »richtiges, echtes Gold«.
    Sie hatten als Schafscherer auf einer der großen Farmen in der Provinz Canterbury und als Träger in den Docks von Dunedin gearbeitet. Das Leben sei hart gewesen, aber es habe ihnen nichts ausgemacht, sagten sie, denn »hier liegt Verheißung in der Luft. Das riecht man direkt.«
    Harriet wärmte einen Hammeleintopf für sie auf, und Lilian machte Klöße dazu, um das Fleischgericht etwas zu strecken. Die Anwesenheit von Fremden im Lehmhaus wirkte irgendwie nett und belebend, fand Lilian, auch wenn die beiden ungehobelte

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