Die Farbe der Träume
er es sein. Er schloss die Truhe wieder, ging nach draußen, und die Sonne schien immer noch, als er zum Teich zurückkehrte.
Er hatte keine Ahnung, welche Fliege er nehmen sollte. Alles war anders in Neuseeland. Er befestigte eine Nymphe und warf die Angel aus. Er genoss die vertraute Bewegung der Arme und das leise sausende Geräusch der Angelschnur und dachte, ob er wohl, wenn er alt war, ein beschauliches Leben führen und seine Tage faul mit Angeln an einem stillen Fluss verbringen würde? Doch er wusste, dass das müßige Überlegungen waren, denn der Fluss, den er sich vorstellte, lag in England, und England war das einzige Land, in das er niemals würde zurückkehren können.
Er wanderte leise um die sonnenbeschienene Seite des Teichs und achtete auf den Schatten. Er verfügte noch immer über die Fähigkeit, eine Fliege sehr sanft aufs Wasser zu setzen. Nichts rührte sich.
Der Fisch, den er sich auf dem Grund des Teichs vorstellte, war silberblau. Wahrscheinlich würde er modriger als Forellenfleisch schmecken und drei Pfund oder mehr wiegen. Er wollte ihn gern sauber an den Haken bekommen und elegant hochholen. Er sah sich gerade nach einem großen Stein um, auf dem er den Kopf zerschmettern konnte, da spürte er den Zug auf die Leine. Sein Herz klopfte heftig, aber er rollte die Leine, so sanft er konnte, auf. Das Ziehen hielt an, die Angel bog sich unter dem Gewicht.
So Weniges erregt uns noch.
Wir sind tot, wie tote Bäume. Und dann schießt plötzlich ein grüner Trieb hervor …
Und während er so sein Spiel mit dem Fisch trieb, es mit seiner alten, wunderbaren Geschmeidigkeit spielte, auch wenn er ihn nicht sah, merkte Joseph, wie er in die Vergangenheit davonsegelte, und die Erregung packte ihn. Er wollte nicht dorthin, aber zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Neuseeland spürte er, wie er zurückkehrte …
Lebhaft sah er im goldenen Abendlicht das Mädchen Rebecca vor sich, wie sie rittlings auf dem Tor saß und ihm ihre nagelneuen braunen Stiefel präsentierte. Er sah, wie sie ihre Röcke schürzte und den Saum ihres Unterrocks hob und ihn ihre blank polierten Stiefel und die flotten neuen Schnürsenkel sehen ließ. Doch er blickte nur flüchtig auf die Stiefel, weil er Blut auf dem Unterrock gesehen hatte, einen überraschend roten, frischen Blutfleck. Und die Erkenntnis, dass sie blutete, dass es ihre Zeit war und dass er so etwas Intimes von ihr wusste, erregte ihn. Er hätte schrecklich gern seine Hand unter ihre Röcke geschoben, sie zwischen die Tücher gesteckt und gefühlt, wie das Blut dort heraussickerte. Und dann hätte er sie gern auf das Feld gelegt, genau dort, neben dem eisernen Tor, auf dem sie saß, und hätte ihr seine Hand um den durchgebogenen Rücken gelegt und sie an sich gezogen und in ihr Erlösung erlebt, Erlösung ohne Konsequenzen , weil sie blutete und es ihm gezeigt hatte.
Er erkannte, dass Rebecca Millward mit sechzehn schon voller Bosheit steckte. Sie hatte ihn absichtlich den Fleck auf ihrem Unterrock sehen lassen. Hatte sich anschauen lassen, wie sie damit weit gespreizten Beinen saß und ihn anlächelte, und ihre schiefen Zähne zeigte und lächelte und lockte … Aber das war ja das Schöne daran; das Blut würde ihn davor bewahren, sie lieben zu müssen …
Joseph hatte sich so sehr in der Vergangenheit verloren, dass ihm Rücken und Beine wehtaten, als er wieder in die Realität zurückkehrte. Irgendetwas zog immer noch an seiner Leine, schien aber tief unten im Teich zu liegen und nicht hochkommen zu wollen, weshalb er jetzt im Geiste etwas anderes vor sich sah: statt eines flinken Fischs eine sich schlängelnde, schwarze Kreatur, schwer und dick wie eine Wasserschlange. Er ruckte absichtlich mit der Leine, um den Haken freizubekommen. Die untergehende Sonne verschwand hinter einer Wolke, und das Teichwasser wirkte mit einem Mal flach und schattenlos. Joseph ruckte noch einmal, aber der Haken wollte sich nicht lösen. Nun bedauerte er, dass er seine Angelrute überhaupt geholt hatte. Er wünschte, er hätte die Truhe nie geöffnet, und als er wieder an die Locke dachte, die er in dem Fliegenkästchen aufbewahrte, überfiel ihn eine große Traurigkeit.
Er ruckelte immer weiter mit der Leine, etwas, das er früher beim Forellenangeln niemals getan hätte. Was für ein verrücktes, albernes Bild er wohl abgab, wie er da so hilflos die Leine schüttelte. Er wünschte, er hätte ein Messer dabei, um sich loszuschneiden. Suchend blickte er sich um, ob es
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