Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
ich habe Leanne zwei Tage vor ihrem Tod zuletzt gesehen. Ich wusste absolut gar nichts.«
»Und Sie meinen immer noch, das würde keine Rolle spielen?« Daniels schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass der junge Agent zusammenzuckte. »Kommen Sie, Bailey, Sie sind doch Polizeibeamter, oder? Da müssten Sie eigentlich wissen, dass es bei Ermittlungen wegen Mordes keine unwichtigen Details gibt!«
Dem jungen Mann stiegen die Tränen in die Augen. »Ich weiß. Tut mir leid. Ich habe mich … geschämt.«
Und das zu recht. Gut so.
»Außerdem hätte ich ganz schlecht dagestanden. Kilgore ist so was von konservativ. Wenn der das rausgefunden hätte, hätte er mich wahrscheinlich gefeuert, auch noch nach Leannes Tod.«
Hmm. Kilgore hatte es aber gewusst, jedenfalls wenn er tatsächlich die Person war, die ganz kurz von der OEP -Kamera erfasst worden war. Wenn er wirklich so konservativ war, warum hatte er dann nichts unternommen? Ronnie hätte erwartet, dass er die beiden jungen Leute zur Rede stellen und ermahnen würde, sich anständig zu benehmen.
Vielleicht hatte er das ja auch getan. Aber möglicherweise hatte er nicht Bailey zur Rede gestellt.
Hmm. Sie überlegte, ob Kilgore vielleicht Leanne aufgesucht hatte, und nahm sich vor, auf den übrigen Bildern nach ihm zu suchen.
Bailey plapperte weiter. »Wenn ich meinen Job verlieren würde, würde Jenny wissen wollen, warum. Ich meine, wie sollte ich das denn dann begründen? Ich könnte ihr doch nicht sagen, dass ich eine andere hatte.«
»Jetzt schalten Sie mal Ihr Gehirn ein. Wenn Sie unter Mordverdacht stehen, wird Ihre Frau das garantiert rauskriegen«, knurrte Daniels.
»Aber Sie können mich doch nicht verdächtigen! Ich war es nicht, überprüfen Sie die Namen hier, diese Leute werden Ihnen sagen, dass ich es unmöglich gewesen sein kann. Es ist doch physikalisch unmöglich, dass ich an zwei Orten gleichzeitig war.«
Sykes nahm den Block an sich, warf einen Blick darauf, klappte ihn zu und steckte ihn wieder in die Tasche. Er erhob sich vom Tisch, ging zum Spiegel hinüber und schaute hindurch, als könne er Ronnie sehen, obwohl sie genau wusste, dass das unmöglich war. Er zwinkerte. Dann drehte er sich um.
»So, Bailey, jetzt wissen wir, dass Sie das Opfer viel besser gekannt haben, als Sie anfangs behaupteten. Lassen Sie uns also noch mal von vorn anfangen. Sie erzählen uns bis ins Kleinste, was Sie über Ms Carr wissen … und dann entscheiden wir, ob wir Ihnen glauben oder nicht.«
*
Ronnie hätte den leitenden Special Agent Kilgore zwar liebend gern mit ihrem Verdacht konfrontiert, dass er die sexuelle Begegnung zwischen Bailey und Leanne Carr beobachtet hatte, aber sie wusste, dass sie vorher weitere Indizien brauchte. Als Mark und sie gestern bis spät in die Nacht in ihrer Wohnung einige Tage aus Leannes letzter Lebenswoche durchgeschaut hatten, hatten sie alles, was ihnen unwichtig erschien, schnell vorlaufen lassen, und sich nur Leannes Begegnungen mit anderen Leuten genauer angeschaut. Kilgore war dabei nicht aufgetaucht, allerdings waren sie mit den Bildern auch noch nicht fertig.
Sykes hatte selbst auch Bilder anzusehen. Dr. Cavanaugh hatte ihre Arbeit an Ryan Underwoods Chip beendet. Außerdem hatte er vom Backup von Underwoods Computer zu Hause nur ganz wenig geschafft. Nach Baileys Vernehmung und nachdem sie einstimmig zu dem Schluss gekommen waren, dass der Special Agent nichts von dem Implantat gewusst hatte, fuhren Ronnie und Sykes daher zusammen nach Bethesda zu Tates Forschungsinstitut. Daniels wollte mit Frank, dem leitenden Architekten, sowie mit Wilders und Kilgore sprechen, um mehr über den Tunnel und weitere mögliche Mitwisser zu erfahren. Außerdem versprach er, möglichst viel über die sechs toten Testpersonen herauszubekommen.
Bei ihrer Ankunft in Tates Institut wurden Ronnie und Sykes von Dr. Cavanaugh begrüßt, die sie in den gleichen Arbeitsraum wie gestern führte. Ronnie hatte unwillkürlich den Atem angehalten. Würde die Frau eine Bemerkung darüber machen, dass gestern ungewöhnliche Aktivitäten an den beiden Arbeitsplätzen stattgefunden hatten? Dass jemand im Netzwerk des Institutes herumgestöbert hatte? Doch Cavanaugh erwähnte nichts dergleichen. Offensichtlich waren Jeremy und Ronnie bessere Hacker, als Mark gedacht hatte.
Oder vielleicht war die hübsche Wissenschaftlerin einfach abgelenkt. Wie gestern schon schenkte sie Sykes mehr Aufmerksamkeit als Ronnie, was diese aber nicht störte.
Weitere Kostenlose Bücher