Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
nach totalitärem Regime ausgesehen, als die Implantierung der Chips gesetzlich vorgeschrieben wurde, und viele Bürger hatten sich dagegen ausgesprochen. Er selbst auch.
Dann war der Oktober 2017 gekommen. Und die Welt hatte sich in eine vollkommen andere Richtung weiterentwickelt.
»Oh ja«, murmelte er. Er starrte aus dem Fenster seines Büros auf die gepflegte Rasenfläche, die sein brandneues hypermodernes Institut umgab, und rieb sich das Kinn. »An dem Tag ist alles ins Schleudern gekommen.«
Und so war es passiert. Die Idioten hatten es tatsächlich zum Gesetz gemacht, hatten ausgenutzt, dass die Bevölkerung wie betäubt war, und die Sache durchgepeitscht. Sechs Monate nach der Zerstörung des Kapitols der Vereinigten Staaten hatten sie mit den Injektionen begonnen. Zu dem Zeitpunkt hatten die Menschen noch in alles eingewilligt, was vielleicht verhindern konnte, dass die entsetzlichen Ereignisse sich wiederholten.
Als die Betäubung nachgelassen hatte, waren natürlich Proteste laut geworden und Prozesse waren angestrengt worden. Zahlreiche Bürger hatten wegen Diskriminierung geklagt, als der Gesetzgeber entschied, dass alle, die sich den Chip nicht implantieren ließen – oder ihn wieder entfernten – den Anspruch auf Sozialleistungen verloren. Als es einen Skandal gab, weil persönliche medizinische Informationen an Pharmafirmen verkauft worden waren, hatte Phineas Tate Todesdrohungen erhalten.
Ach, aber der Hass, der ihm damals entgegengeschlagen war, war nichts im Vergleich zu dem, was die folgenden Jahre dann gebracht hatten.
Aber das hätte er ändern können. Und er wollte es auch ändern, mit seiner nächsten bahnbrechenden Erfindung. Er hatte geplant, sie der Menschheit als Geschenk anzubieten. Als Wiedergutmachung für seine früheren Sünden. Sein revolutionäres optisches Aufnahmegerät wäre seine Sühne geworden. Damit hätte er sich losgekauft, sich Vergebung erworben.
Wenn es mir nicht gestohlen worden wäre.
»Es hat einen Mord gegeben.«
Phineas riss sich vom Fenster los, von der Vergangenheit. Sein Sohn Philip war ins Büro gestürzt, ohne vorher anzuklopfen. Sein Gesicht leuchtete vor Aufregung. Wegen eines Mordes.
Wie merkwürdig.
»Hast du gehört? Wir müssen los. Jetzt sofort.«
Phineas verzog den Mund und schüttelte den Kopf. Er fummelte am Griff einer Schreibtischschublade herum. »Das verflixte Ding klemmt. Man sollte doch meinen, bei der Summe, die unsere Regierung für dieses Gebäude ausgegeben hat, wäre es möglich gewesen, mir einen Schreibtisch zu beschaffen, dessen Schubladen nicht klemmen.«
Sein Sohn, der so ruhig und verbindlich war, wenn er seine finanziellen Netze knüpfte, durchquerte mit einigen langen Schritten, fast schon laufend, den Raum. »Vater, hörst du denn nicht? Ein Mord! Wir müssen hin.« Er legte die Hände flach auf den großen, auf Hochglanz polierten Mahagonischreibtisch. Interessiert beobachtete Phineas, wie sein Sohn die Finger spreizte, dann wieder zusammenzog und schließlich ungeduldig ein Stakkato auf der Holzplatte trommelte. Der Junge war wirklich sehr aufgeregt. »Ich verstehe nicht, warum … «
»Weil das Opfer eine von unseren Testpersonen ist. Eine von den Fünftausend.« Philips Stimme bebte fast vor Erregung, als er hinzufügte: »Sie wurde heute Morgen ermordet unter dem Weißen Haus gefunden.«
Und endlich verstand Phineas, warum sein Sohn so aufgeregt war, selbst wenn er dieses Gefühl nicht teilen konnte.
Na ja, oder vielleicht nur ein kleines bisschen.
Es sah so aus, als würden sie nun sehr bald feststellen, ob seine geniale Erfindung, die ursprünglich den Millionen von Alzheimerpatienten in diesem Land hatte zugute kommen sollen, stattdessen die Funktion übernehmen konnte, die die US -Regierung und sein eigener Sohn ihr zugedacht hatten.
Würde man mithilfe der Mikrokamera ein Verbrechen aufklären können?
*
Bis zum Mittag hatten sich die Gerüchte über den grausigen Mord im zweiten Untergeschoss des Weißen Hauses über den gesamten Patriot Square verbreitet, so als hätte man sie wie Sand mit vollen Händen in alle Ecken und Winkel gestreut. Wie Gaffer bei einem Verkehrsunfall tauchten vor dem Gebäude immer wieder Bautrupps und autorisierte Regierungsangestellte auf und rissen sich um die neuesten Infos.
Erst jetzt, als sie sah, wie viele Handwerker am Wiederaufbau von Amerikas berühmtestem Monument beteiligt waren, begriff Ronnie, welche Dimensionen dieses Projekt hatte. »Ich glaube,
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