Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
wir außerdem heraus, wie groß seine Hände sind, und bestimmt können wir anhand eines der Schatten seine Körpergröße einschätzen.«
Der Mörder hatte seinen Grubenhelm nicht durchgängig getragen. Mehrmals hatte er ihn auf den Boden gelegt, und das Licht der Lampe hatte hinter ihm Schatten in die Dunkelheit des Kellers geworfen. Sykes war sich ganz sicher, dass Dr. Tate und seine Leute daraus etwas machen konnten.
Allerdings war der Unbekannte, auch wenn er seinen Helm abgesetzt hatte, sehr sorgfältig darauf bedacht gewesen, sich nicht zu zeigen. Seine Hände in den blutigen Handschuhen hatten ständig kontrolliert, ob seine Kapuze noch richtig saß. Ein weiterer Grund, warum Sykes nicht die geringsten Zweifel hatte, dass der Täter von der Mikrokamera wusste und absichtlich alles getan hatte, um seine Identität geheim zu halten. Warum hätte ein Mörder sich mithilfe seiner Kleidung und einer Kapuze unkenntlich machen sollen, wenn er sicher war, dass sein einziger Zeuge, nämlich das Opfer, bald tot sein würde?
Vielleicht hätten Reue oder Schuldgefühle ein Grund sein können, warum er das Gesicht vor seinem Opfer verbarg. Aber dafür gab es keine Anzeichen. Er hatte sein Verbrechen genossen, hatte jede Sekunde ausgekostet. Ein schamhaftes Verstecken war für ihn nicht infrage gekommen. Er hätte gewollt, dass Leanne ihn erkannte, weil das ihr Entsetzen noch vergrößert hätte. Nein, er hatte sich nicht vor seinem Opfer versteckt, sondern vor dem Spion, der in Leannes Kopf gesteckt hatte.
»Sag mir, dass das ausreicht. Sag mir, dass es sich gelohnt hat«, bat Ronnie. Sie klang schwach und unsicher. So hatte Jeremy sie noch nie gehört.
Er konnte ihre Bitte nicht gleich erfüllen. Dass die Tortur dieser vergangenen Stunden einen Sinn gehabt hatte, würde er erst mit Sicherheit sagen können, wenn dieses Monster für seine Tat auf dem elektrischen Stuhl verbrutzelte. Aber da sie bisher nur minimale Anhaltspunkte hatten, war das noch vollkommen ungewiss.
Doch weil Sykes spürte, wie nötig Ronnie diese Antwort brauchte, erwiderte er schließlich: »Ja. Es hat sich gelohnt, Ronnie. Es wird uns helfen, ihn dingfest zu machen.«
Allmählich wurden ihre hektischen Atemzüge wieder gleichmäßig. »Gut.«
Er wartete ab, ließ sie ihre Gedanken ordnen und versuchte, seine eigenen wieder unter Kontrolle zu bringen.
Ronnie ließ ihre Knöchel knacken, einen nach dem anderen, als müsse sie etwas mit ihren Händen tun. Jemanden zu schlagen kam im Moment nicht infrage, also gab sie sich anscheinend damit zufrieden, ihre eigenen Finger zu misshandeln. »Ich muss zugeben, dass ich erste Zweifel an diesem Programm habe. Ich kenne kaum welche unter unseren Lehrgangskollegen, die solche Bilder aushalten könnten.«
Diesen Gedanken hatte Sykes auch schon gehabt. »Geht mir genauso. Und sich tatsächlich in dieses Gruselkabinett hineinbegeben und das alles aus nächster Nähe miterleben? Vergiss es.«
Ronnie nickte zustimmend.
»Zum Glück werden wohl nicht viele in diese Situation kommen«, fügte er hinzu. »Wir haben im ganzen Land nur fünftausend Testpersonen, und alle sind gesunde junge Erwachsene. Gründlich ausgesiebte Leute, ihr Hintergrund ist bekannt und sie sind Geheimnisträger, sie werden also kaum Drogen nehmen oder ihr Leben auf andere Weise gefährden.«
»Trotzdem können sie totgehackt werden.«
»Ich war noch nicht fertig«, sagte Sykes mit einem tadelnden Blick. »Wenn wir den Kerl erst haben und ihm das Handwerk legen, müsste alles wieder seinen normalen Gang gehen. Statistisch gesehen dürften diese Fünftausend noch nicht so bald sterben. Also können wir uns dann darauf konzentrieren, das Programm so zu nutzen, wie es gedacht ist: um Raubüberfälle oder terroristische Anschläge zu bezeugen und aufzuklären.«
»Oder um Staatsgeheimnisse auszuspionieren. Wir wissen beide, dass die Regierung als nächstes ihren Spionen den Chip einsetzen will.«
»Einen ganzen Monat langweilige politische Reden bei Veranstaltungen auf der ganzen Welt mitanzuhören, wäre nicht so schlimm wie eine weitere Stunde von dem hier«, erwiderte Sykes mit einer Kopfbewegung zum leeren Projektionsraum hin.
»Stimmt.« Müde strich Ronnie sich mit der Hand übers Gesicht, bevor sie sagte: »Gut, dann lass uns mal durchgehen, was wir bisher wissen.«
Sie hatte das Grauen weggeschoben. Jeremy machte es genauso. Es war Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen, wieder Ermittler zu sein statt bloßer Zeuge.
Sie
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