Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Monate geblieben und habe bei den Ermittlungen mitgearbeitet.« An diese Zeit dachte er nicht gern zurück. Er hatte sich bemüht, sich auf die Aufklärung der brutalen Verbrechen zu konzentrieren – es waren so viele, es gab so viele Verdächtige, alles war so genial geplant gewesen, dabei aber so abgrundtief böse und schändlich. Sykes hatte seinen besten Freund und mehrere Kollegen verloren und sich manchmal gefragt, wie er den nächsten Tag überstehen sollte.
Doch weil er wusste, dass Ronnie noch schlimmere Verluste erlitten hatte, fragte er: »Hast du eine Auszeit genommen? Danach?«
»Nein.«
Nein. Das war alles. Keine weiteren Erklärungen.
Sykes verstand das. Weiterarbeiten, die Sache weiter vorantreiben und die Terroristen fassen, die durch die Maschen des Netzes geschlüpft waren, das war alles, woran Police Detectives oder Special Agents damals hatten denken können. Wichtiger als der Kummer war ein elementares Rachebedürfnis.
Er fragte sich, ob Ronnie ihr Rachebedürfnis gestillt hatte.
Und er überlegte, ob ihr schon bewusst geworden war, dass das überhaupt keine Rolle spielte und jedenfalls den Schmerz nicht linderte.
»Genug davon«, sagte Ronnie und legte die Hände auf die Armlehnen. »Lass uns hier verschwinden, bevor wir sentimental werden.«
»Gut. Aber nur, wenn du versprichst, dass du für heute Schluss machst, nach Hause fährst und dich erholst.«
»Ich fahre nach Hause, und ich verspreche dir, dass ich nichts mehr mache, bevor ich mich nicht besser fühle.«
Er suchte nach Anzeichen dafür, dass an dieser Abmachung ein Haken war, dass Ronnie ihn nur abwimmeln wollte und ihr Versprechen nicht ernst meinte, aber er fand keine.
»Wir sollten Dr. Cavanaugh sagen, dass wir abhauen«, meinte er.
»Wenn es dir nichts ausmacht, warte ich einfach hier, während du sie suchst und ihr Bescheid sagst.« Ronnies Worte klangen fast wie Seufzer. Sie lehnte sich in ihrem Drehsessel zurück, und ihre Lider schlossen sich langsam, die dichten, tintenschwarzen Wimpern senkten sich auf ihre bleichen Wangen. Sie sah aus, als könnte sie gleich vom Sessel fallen.
»Ich bin gleich wieder da.« Doch dann konnte er nicht anders, er musste einfach die Hand ausstrecken und ihr behutsam das Haar von der Wange streichen. Er spürte die seidige Weichheit und überlegte, wie es ihr gelungen war, zu verbergen, dass ein großer Teil ihres Haares fehlte.
Sie murmelte etwas, als sei sie schon in einen leichten Schlaf gesunken, und er verließ den Raum. Wieder verfluchte er den unbekannten Täter, der Veronica Sloan so geschwächt hatte, dass sie nicht einmal mehr seine Hand wegschlagen und so tun konnte, als brauche sie niemanden.
*
Ronnie wartete, bis Jeremys Schritte auf dem Flur verklungen waren, dann öffnete sie die Augen, drehte sich zu ihrem Arbeitsplatz um und griff zu einer Mikrofestplatte.
Sie sagte sich, dass das keine Lüge war. Sie hatte Sykes zwar versprochen, dass sie erst wieder über den Fall nachdenken würde, wenn es ihr besser ging, aber sie wusste jetzt schon, dass sie sich in ein paar Stunden besser fühlen würde – sobald die Schmerzmittel wirkten und sie es sich in Jogginghose und flauschigen Pantoffeln bequem machen konnte.
Und da wollte sie doch dafür sorgen, dass sie für die restliche Nacht etwas zu tun hatte.
Sie arbeitete schnell. Nicht nur, weil Jeremy nicht erfahren sollte, dass sie notfalls die Nacht durcharbeiten wollte, sondern sie befürchtete auch, dass er Dr. Cavanaugh mitbringen könnte. Phineas Tate und seine Mitarbeiter waren zwar anscheinend vollkommen damit einverstanden, dass Jeremy und sie hier im Sicherheitsbereich des Institutes an den Daten und Chips der Opfer arbeiteten, doch wenn Ronnie die Daten aus dem Haus mitnahm, würden sie möglicherweise gar nicht begeistert sein.
Und erst recht nicht, wenn es sich um Daten handelte, die man ihr streng genommen gar nicht zur Verfügung gestellt hatte.
Eine Bemerkung von Tate ging Ronnie nicht aus dem Kopf, aber bis vor ein paar Stunden hatte sie eigentlich nicht viel darüber nachgedacht. Sie hatten über die Zahl der Todesfälle gesprochen, die unter den Teilnehmern am OEP zu erwarten waren. Wie Jeremy betont hatte, waren die Testpersonen sorgfältig überprüft worden. Sie waren jung und gesund und Risikofaktoren waren ausgeschlossen worden, daher war es unwahrscheinlich, dass sie vorzeitig starben.
Aber hatte Dr. Tate nicht erwähnt, dass einige Programmteilnehmer kürzlich verstorben waren? Er hatte von
Weitere Kostenlose Bücher