Die Farbe Des Zaubers
Ischade?«
»Ischade ...«, wiederholte der Geist und verschwand.
»Aber ... O Vashanka! Ausgerechnet jetzt! Das einzige Mal, daß ich mit ihm sprechen will, und er verschwindet!«
Ihm kam ein plötzlicher Einfall. Zalbar sank auf die Kissen zurück und schloß die Augen. Wenn er wieder schlief, brachte es vielleicht den lästigen Geist lange genug für ein paar klärende Antworten zurück.
Doch wie zu erwarten gewesen war; schlief er den Rest der Nacht ungestört.
Zalbar erwachte gegen Mittag mit frischer Entschlossenheit. Razkuli hatte ihm endlich eine Auskunft gegeben, von der er ausgehen konnte, und er hatte vor, sich von dieser unirdischen Plage zu befreien, ehe er wieder schlafen ging.
Sein Unternehmen mußte er jedoch bis zum Abend verschieben. Der Kater, dem er durch seine nächtliche Besprechung mit dem Geist zeitweilig entgangen war, rächte sich nun, da seine Verbündete, die Sonne, hell schien. Folgedessen verbrachte er den größten Teil des Tages mit weichen Knien und Brummschädel im Bett, um zu warten, bis die übliche Strafe für maßloses Saufen überstanden war, ehe er aufbrach. Er 89 hätte sich auch überreden können, damit bis zum nächsten Tag zu warten, doch während seines ganzen Katers hatte er sich an einen Gedanken geklammert, wie an eine Boje in stürmischer See.
Es ist fast vorbei. Sprich mit Ischade. Sprich mit Ischade, dann kannst du wieder ruhig schlafen!
So kam es, daß ein etwas wackeliger Zalbar in seinen Höllenhundharnisch schlüpfte und in die untergehende Sonne hinausschwankte, um sich von seinem nächtlichen Quälgeist zu befreien oder bei dem Versuch zu sterben — was ihm momentan als durchaus annehmbare Wahl erschien.
Er hatte vor, der Nordstraße, die um die Stadtmauer führte, zur Brücke am Schimmelfohlenfluß zu folgen, wodurch er die Straßen der Stadt meiden konnte. Er wußte, daß es nach der Entfernung der Höllenhunde aus der Stadt zu erbitterten Straßenkämpfen zwischen verschiedenen Faktionen gekommen war, und er wollte wahrhaftig nicht durch irgendeine Auseinandersetzung aufgehalten werden. Früher war er unerschrocken selbst durch das Labyrinth, das Herz von Freistatts Untergrund und Unterwelt, geschritten. Das war jetzt die Sache anderer, und er sah keinen Grund, weshalb er unnötige Risiken auf sich nehmen sollte.
Je weiter er kam, desto deutlicher wurde, daß er das Ausmaß der Straßenkämpfe unterschätzt hatte. Selbst hier, außerhalb der Stadtmauer, erkannte sein geschultes Auge, daß Vorbereitungen für Gewalttätigkeiten getroffen waren. Kisten und Fässer waren aufgestapelt, und ganz offensichtlich nicht zur Lagerung, sondern als Deckung, und an allen Ecken lungerten zahlreiche Bewaffnete herum. Zalbar verkrampfte sich immer mehr, während er dahinschritt und Dutzende von versteckten Augen auf sich spürte, die ihn beobachteten, ihn abschätzten. Vielleicht hätte er lieber den längeren Weg nehmen sollen — um die Straße herum nach Osten, dann südlich am Hafen entlang, wo Straßenkämpfe am unwahrscheinlichsten schienen. Doch jetzt war es bereits zu spät umzukehren. Er mußte scheinbar unbekümmert seinen Weg fortsetzen und hoffen, daß sein Hölllenhundharnisch noch soviel Respekt einflößte, daß er ungehindert passieren konnte.
Er legte eine Hand um den Schwertgriff und nahm die stolze, herausfordernde Haltung von früher an, während er sich verzweifelt an den Klatsch im Freudenhaus zu erinnern versuchte, welche Faktionen welche Viertel für sich beanspruchten. Er wurde tatsächlich nicht behindert und war schon dabei, sich zu dem ungebrochenen Ruf der Höllenhunde zu gratulieren, den aufzubauen er sich so sehr bemüht hatte, als ein Windstoß spöttisches Gelächter von einem der Wachtposten zu ihm trug. Das trieb ihn trotz der Kälte brennende Röte ins Gesicht, denn ihm wurde bewußt, daß es auch eine andere Erklärung geben konnte, weshalb er nicht angehalten wurde. Vielleicht war der Ruf der Höllenhunde so tief gesunken, daß man sie nicht einmal mehr der Beachtung wert fand — als keine ausreichende Bedrohung, um Mühe an sie zu verschwenden.
Ein gedemütigter und gar nicht mehr selbstbewußter Zalbar erreichte schließlich Ischades Haus. Er blieb kurz gedankenversunken vor der Tür stehen. Soldaten waren nie sonderlich beliebt, und er hatte seiner Uniform wegen schon so manches einstecken müssen. Doch heute war es das erste Mal gewesen, daß andere Waffenträger sich über ihn lustig machten. Aber eines Tages, wenn
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