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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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Himmels willen …?«
    Beim siebten melancholischen Schlag der Uhr hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde und unmittelbar darauf Mutters Stimme, ein schriller schmerzlicher Ausruf, der gleichzeitig mit dem letzten Schlag der Uhr durch das Haus hallte. Acht. Es war acht Uhr.
    »Julian, mein Gott!«, rief sie. »Was haben sie mit dir gemacht?«
    Als ich seinen Namen hörte, sprang ich auf und lief zur Haustür. Mutter stand über Julian gebeugt, der mit dem Gesicht nach unten, die Arme von sich gestreckt, auf der Türschwelle lag. Vater riss sich die rot-goldene Krawatte vom Hals und band sie mit einer raschen Bewegung straff um Julians rechten Oberarm. Blut lief über seine aufgeschlitzten Finger. Er hatte tiefe Schnittverletzungen an beiden Armen und in jedem Finger eine klaffende Wunde.
    Vater löste die Schnalle an seinem Gürtel, zog ihn hastig aus den Schlaufen und band ihn um Julians linken Arm.
    Ruby. Das ist dein Name. Es ist auch die Farbe unseres Blutes. Julians Stimme dröhnte in meinem Kopf, als ich mich an seine Worte erinnerte. Das hatte er einmal gesagt, während er auf eine gespannte Leinwand eine purpurne Sonne malte, die über Sowetos Slums unterging.
    Blut. Mein Name bedeutet Blut , dachte ich und drehte meine Serviette zu einem Knebel zusammen.
    Mutter bettete Julians Kopf in ihre Hände, während Vater seinen Körper langsam auf den Rücken rollte und ihn behutsam auf den glatt gebohnerten Fußboden der Eingangsdiele schob. Dann schlug er die Haustür zu und ließ alle Verriegelungen einschnappen. Als ich Vaters große blutverschmierte Finger sah, empfand ich tiefe Liebe für ihn. Er würde uns alle beschützen. Bei Vater waren wir in Sicherheit.
    Julian stöhnte und versuchte, den Kopf zu heben. Wie in Zeitlupe bewegte ich mich auf ihn zu. Das war doch nicht wirklich passiert, das konnte doch nicht passiert sein! Vor meinen Augen verschwamm alles, während ich Julian mit der Serviette Blut von den Wangen wischte, von den Augen und den aufgesprungenen Lippen. Die Welt war plötzlich unscharf. Ich schaute wie durch einen Nebelschleier auf Julian hinunter.
    »Wer hat dir das angetan?«, flüsterte Vater dicht neben seinem Ohr. »Wer, Julian? Sag uns, wer?«
     
    Erst nach zehn Tagen und einhundertsiebenundvierzig Stichen, mit denen die Verletzungen an Julians jungem Körper genäht werden mussten, war er in der Lage, das Wort über seine geschwollenen Lippen zu bringen: » Tsotsies. «
    Schlägertypen. Niemand Bestimmter. Nur ein paar umherziehende junge Männer mit Hunger in den Bäuchen und Hass in den Herzen vom jahrelangen harten Leben in der Township. Sie richteten ihren Hass auf einen aus den eigenen Reihen. Vielleicht war den Tsotsies Julians bessere Kleidung aufgefallen, sein sauberes Hemd, sein selbstbewusster Gang. Vielleicht hatten sie von der anderen Seite der schmutzigen, mit Schlaglöchern übersäten Straße her beobachtet, wie er eine Frau skizzierte, die ein Baby auf ihrem breiten Rücken und einen großen Wassereimer auf dem Kopf trug. Und sie wussten, wie sie ihn am tiefsten treffen konnten, welcher Teil seines Körpers ihm heilig war. Seine feingliedrigen Künstlerhände. Später erzählte er mir, wie ihn die Tsotsies festgehalten und jeden Finger einzeln aufgeschlitzt hatten, wobei sie darauf achteten, die rechten schwerer zu verwunden als die linken. Sie hatten ja gesehen, welcher Hand der größere Schaden zugefügt werden musste, welches Handgelenk sich beim Anfertigen der Kohlezeichnungen so flink und geschickt hin- und herbewegte. Sie wollten dafür sorgen, dass Julian nie wieder ein sauberes Hemd tragen würde. Nie wieder eine Zeichnung auf Papier würde festhalten können. Was sie nicht wussten, war, dass Julian eine geheime Waffe besaß, eine Waffe, die sie längst verloren hatten: die Leidenschaft. Es war seine Leidenschaft, die ihn antrieb, die ihn jeden Morgen aufstehen und mit zwei Bussen zu uns fahren ließ, damit er der Welt seine Passion mitteilen konnte. Seinen Schmerz. Und die Sehnsucht nach einem besseren Leben für sich, für sein ganzes Volk. Seine Leidenschaft war es, die ihm an diesem Abend die Kraft gab, sich blutend und zerschunden bis zu unserem Haus zu schleppen. Es sollte mehr als ein Monat vergehen, bevor er wieder ein Stück Zeichenkohle in seinen vernarbten Händen halten konnte, doch als er schließlich so weit war, ging von seinen Arbeiten etwas bitter Leidvolles aus, das dem Betrachter das Herz abschnürte. Die Bilder, die er nun mit seinen

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