Die Farben der Freundschaft
Verteidigung eingefallen. Desmond wusste, wie eng wir befreundet waren und dass der Verlust meiner besten Freundin ein schwerer Schlag für mich sein würde. In seiner berechnenden und überzeugenden Art hatte er ihr gegenüber seinen ganzen Charme spielen lassen, und wie es schien, stand sie bereits völlig in seinem Bann. Monica, die nie tiefer als an der Oberfläche kratzte und jedem alles glaubte, bemerkte gar nicht, dass sie nur eine geeignete Waffe in Desmonds Krieg gegen mich war. Soweit ich es im Gedränge der Cafeteria beobachten konnte, waren die beiden jetzt ein »Thema« – sie fütterte ihn und schob ihm löffelweise Kartoffelbrei in seinen noch nicht ganz verheilten Mund.
Ein dumpfer Schmerz durchzuckte mich. Ich hatte meine beste Freundin verloren, und in der Schule hatte ich inzwischen mehr Feinde als Freunde. Und obendrein musste ich auch noch höllisch aufpassen, dass sich niemand zu sehr für meine Familie interessierte. Wir hatten einen Schwarzen bei uns zu Hause, der mit uns wohnte wie ein Weißer. Er saß auf den gleichen gepolsterten Stühlen wie wir, aß mit uns von den gleichen feinen Porzellantellern und schlief in flauschiger Bettwäsche aus ägyptischer Baumwolle, in einem Zimmer, das auf demselben Flur lag wie meines.
»Niemand darf davon erfahren, Ruby!«, so hatten mich Mutter und Vater am Tag nach dem blutigen Überfall auf Julian beschworen. »Sonst ist womöglich unser Leben in Gefahr«, sagte Vater unumwunden.
»Wir wollen dir keinen Schreck einjagen, Liebling«, versuchte es Mutter etwas milder. »Wir wollen nur keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen … verstehst du?« Sie strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wenn jemand dahinterkommt …«
»Ich würde nie etwas tun, das uns schaden könnte. Oder Julian.« Meine Blicke gingen zwischen den beiden hin und her. Sie wirkten erschöpft und abgespannt. »Versprochen«, sagte ich.
Ich hütete das Julian-Geheimnis eisern, nicht nur meiner Eltern wegen, sondern auch meinetwegen. Für mich, die ich mein Leben lang ein Einzelkind war, war er wie ein wundervoller großer Bruder. Mit ihm konnte ich über Dinge reden wie mit sonst niemandem.
»Wie fühlt sich Liebe an?«, fragte ich Julian einmal, während ich an seinem Bett kniete und frische weiße Verbände um seine Wunden wickelte.
Er lachte leise. »Wie schlimme Bauchschmerzen, die nur dann verschwinden, wenn du mit dem Menschen zusammen bist, der dein Herz erobert hat.«
»Aber dann müsste einem doch eher das Herz wehtun statt der Bauch.«
»Ah, das kommt später.« Julian zuckte zusammen, als er versuchte, sich auf seine frisch bandagierten Hände zu stützen.
»Wann?«
»Wenn alles vorbei ist.« Unbeholfen strich er mit seinen weiß bandagierten, tennisschlägerähnlichen Armen die Bettdecke glatt. »Dann tut das Herz weh.«
»Es müsste einen dicken Verband geben, den man um das Herz wickeln kann, damit es schneller heilt«, sagte ich.
»Gibt es, Ruby, gibt es.«
»Ja? Welchen denn?«
»Das feine Gewebe Zeit.« Die Augen schienen ihm plötzlich schwer geworden zu sein, denn sie fielen ihm langsam zu, während er sprach. »Ich rede dummes Zeug … diese vielen Schmerzmittel, die mich Dr. Jacobs schlucken lässt. Deswegen rede ich so einen Unsinn.«
»Das ist kein Unsinn. Es ist schön, was du sagst«, entgegnete ich. »Und auch traurig.«
»Findest du?« Seine Augen öffneten sich langsam wieder. »Ja, Schönheit und Schmerz sind enge Gefährten.« Julian lächelte kraftlos, hob seine verbundene Rechte und deutete auf mich. »Schönheit«, sagte er. Dann legte er die Hand auf seine Brust: »Und Schmerz.«
»Ich bin nicht schön.« Ich wurde rot.
»Doch. Eines Tages wird jemand in deine Augen schauen und dir sagen, wie schön du bist. Schön von innen und schön von außen. Und dann wirst du es glauben.«
7
RUGBY ist noch nie ein Sport für Zartbesaitete gewesen. Da geht es Mann gegen Mann. Körper gegen Körper. Muskelkraft gegen Muskelkraft. Besondere Schutzkleidung bleibt Sportarten für Weicheier vorbehalten. Die Kluft der Spieler besteht lediglich aus Shorts, Rugbyschuhen und gestreiften Trikots. Einen Kopfschutz tragen nur die Locks, weil ihnen sonst beim schweißtreibenden »Gedränge« die Ohren zwischen den Schenkeln der anderen zerquetscht werden könnten. Der Schutz verhindert, dass sie »Boxerohren« bekommen. Die Spieler tragen weder Ellbogen- noch Knieschützer, auch keinen Unterleibsschutz. Suspensorien zum Schutz der Genitalien sind
Weitere Kostenlose Bücher