Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
Vom Netzwerk:
schmerzenden Fingern schuf, drückten die Realität noch schroffer und ergreifender aus als seine früheren. Die Tsotsies konnten mit ihren Klappmessern seine Glieder verletzen, nicht aber seine Seele. Julians Leidenschaft schien sogar heller zu brennen als zuvor.
    Nach diesem Abend zog er dauerhaft bei uns ein. Hinter unseren festen Toren war er sicher, hier konnten ihm Schläger nichts anhaben.
     
    Das zweite Mal an diesem Abend klopfte es an unserer Tür, unmittelbar nachdem Mutter Dr. Jacobs hinaufgeführt hatte, damit er Julian verarzten konnte. Dr. Jacobs war ein korpulenter kahlköpfiger Mann und schon seit meiner Kinderzeit unser Hausarzt. Am Telefon hatte Mutter eindringlich gesagt: »Nicht ins Baragwanath-Krankenhaus! Er setzt keinen Fuß mehr in die Gegend von Soweto! Kommen Sie sofort her! Er ist kurz vorm Verbluten!« Damit hatte sie den Hörer hingeknallt. Knapp zwanzig Minuten später stürmte Dr. Jacobs mit wild baumelndem Stethoskop die Treppe hinauf, die schwarze Arzttasche schlug gegen seine stämmigen Beine.
    Ich lief hinterher, aber ich war erst auf halber Treppe, da ließ mich ein lautes forsches Klopfen an der Haustür zusammenschrecken. »Mach niemandem auf!« Mutter war hinter Dr. Jacobs hergelaufen und rief über die Schulter zu mir herunter: »Es könnte die Polizei sein … Ruby! Oh, mein Gott …«
    Meine Knie wurden schwach, ich begann zu zittern, während meine Beine automatisch kehrtmachten und mich irgendwie zur Haustür trugen.
    »Wer ist da?«, kam es unnatürlich schrill aus meinem Mund.
    »Der Mann deiner Träume …«, antwortete die Stimme auf der anderen Seite der Tür.
    Durch die schwere eichengetäfelte Eingangstür erkannte ich die Stimme nicht und fragte noch einmal.
    »He, Ruby … ich hab dir doch gesagt, dass ich heute Abend komme. Ein gewisses Briefchen von mir an dich …«
    »Desmond! Nein!«, sagte ich leise und legte meine eiskalte Wange an die Tür. »Bitte nicht«, flüsterte ich. »Nicht jetzt, bitte nicht heute Abend.«
    Wieder hämmerte Desmond gegen die Tür. »Komm schon, einen Gast nicht einzulassen ist doch unhöflich … noch dazu, wenn es einer ist, den man erwartet«, sagte er kichernd. »Sei nicht so ruppig, Ruby«, jetzt lachte er. Er klopfte lärmend an die Tür und hob die Stimme: » RUPPIGE RUBY !«
    Ich warf einen Blick auf die verschmierten Blutspuren auf dem Boden der Eingangsdiele, dann löste ich rasch die Verriegelungen und öffnete die Haustür gerade so weit, dass ich mich in den gepflasterten Innenhof hinauszwängen konnte. Ich zog die Tür hinter mir zu.
    Ein erdrückend starker Geruch nach Moschus und Pinien stieg mir in die Nase. Desmond trug akkurat gebügelte Khakihosen und einen königsblauen Kaschmirpulli. Er sah makellos und putzmunter aus, und er trug seinen Reichtum mit großer Selbstverständlichkeit vor sich her. Vielleicht kam er gerade vom Essen im Country Club, wo seine Familie Geld für einen Haus-Swimmingpool gespendet hatte. Desmond war der beste Rückenschwimmer der Schule.
    Er grinste mich von oben herab an. »Wow! Du siehst …«
    Ich sah, wie seine Blicke über meine zerknitterte, blutbefleckte Bluse wanderten, über mein zerzaustes Haar. Ich legte die Hand über den bräunlich werdenden Fleck auf der Brusttasche meiner Bluse.
    »Desmond, wir hatten heute Abend einen Unfall hier … ich kann dich nicht reinlassen …«
    »Was für einen Unfall?« Desmond legte den Kopf schief, und der Blick aus seinen grünen Augen nagelte mich fest.
    »Ein schlimmer Unfall.« Ich sah zur Seite. »Jemand ist verletzt worden.«
    »Jemand? Wer denn?«, fragte er leicht pikiert. »Jemand aus deiner Familie? Oder vom Personal?«
    »Vom Personal«, platzte ich heraus. »Der Gärtner.« Mir war blitzartig der alte Schulgärtner eingefallen, der sich den Schweiß von der Stirn gewischt hatte. »Er hat sich böse mit einer Schere geschnitten … und stark geblutet …«
    »Am besten, ihr setzt ihn in einen Bus zum Baragwanath-Krankenhaus. In einer unserer Kliniken kann er ja kaum behandelt werden.«
    »Es wird schon dafür gesorgt«, sagte ich schroff.
    »Na schön, wo liegt dann das Problem?« Er kam näher und strich über mein Haar. »Mhmm, ich glaube, ein bisschen unordentlich gefällst du mir ganz gut. Lass mich ran, du Wilde!« Er beugte sich vor und streifte mit den Lippen mein Haar.
    Ich wich einen Schritt zurück, und als ich spürte, wie sich der Türknauf in meinen Rücken bohrte, stieß ich Desmond weg.
    »Wie bist du überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher