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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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eintauchte, um sich am Kopf zu kratzen, verschwand der ganze Finger in dem gelb gefärbten Haarnest.
    Ehe ich Gelegenheit hatte zu erklären, dass Monicas Mutter Claudia hieß, nicht Lynette, und in Kapstadt aufgewachsen war, bekam ich einen glitschigen Volltreffer ins Ohr.
    Ich versuchte, den feuchten Eindringling herauszupulen, und verstand deshalb Mrs. Harris’ nächste Frage nur gedämpft.
    »Ich habe gehört, die Galerie deiner Mutter soll unter polizeilicher Beobachtung stehen wegen des Verdachts auf Unterstützung von kommunistischen Künstlern? Geschwätz! Nichts als boshafter Klatsch und Tratsch …«
    »Mom, du schaust ja gar nicht!« Janice ließ den langen Rock vor ihr tanzen. »Gefällt er dir? Findest du ihn …?«
    »Ich muss mal!«, quengelte Gerald. »Ich hab zu Mittag zu viel gegessen.«
    Unterdessen suchte ich fieberhaft nach einer schlagfertigen, klugen Antwort auf ihre Frage. Vielleicht wäre ja etwas Dummes, Naives besser gewesen, etwas, das mir spontan über die Lippen gekommen wäre, aber ich entschied mich für die Wahrheit.
    »Meine Mutter kümmert sich um Künstler und ihre Arbeit. Nicht um Politiker und ihre politischen Ansichten, Mrs. Harris«, antwortete ich fest, aber höflich. Ich konnte förmlich spüren, wie meine Antwort geradewegs über ihre hoch aufgetürmte Frisur durch die feucht bombardierte Windschutzscheibe segelte.
    Da es Mrs. Harris scheinbar plötzlich die Sprache verschlagen hatte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit jetzt auf Janices bestickten Rock und bewunderte ihn in allen Tonlagen. Dann drehte sie sich zu Gerald um und versprach ihm, beim nächsten Café anzuhalten, sobald sie mich abgesetzt hätte.
    Ihre weiteren Fragen zu meinem Leben waren banaler, aber genauso lästig. Ich antwortete kurz angebunden und zählte die Sekunden, bis ich ihrem stinkenden Wagen, ihrem spuckenden Sohn und ihrer taktlosen Einfältigkeit entkommen würde. Janice schwebte im siebten Boutiquemode-Himmel und schien den gereizten Ton nicht zu bemerken, der in meinen einsilbigen Antworten auf die Fragen ihrer Mutter lag. »Wie steht’s mit Freunden, Ruby? Hat dein Outfit für den Discoball mehr gekostet als das von Janice? Bist du eigentlich gern ein Einzelkind?«
    Mit einem knappen »Danke« sprang ich aus dem Auto, kaum dass der Wagen vor unserem schmiedeeisernen Tor zum Stehen gekommen war.
    Eine düstere Leere überkam mich, als ich das große Gartentor aufschloss und schnell hinter mir wieder absperrte.
    Ich blickte an unserem zweistöckigen Haus mit den weißen Fensterläden hinauf. Violette, am Spalier rankende Bougainvillea. Wild wucherndes Geißblatt, das sich wie duftende Halsketten bis zum zweiten Stock hinaufwand. Von oben drang Musik aus einem offenen Fenster, und meine Augen wanderten höher. In diesem Augenblick entdeckte ich sie, meine Mutter, wie sie tanzte und sich zur Melodie eines Musikstücks wiegte, das ich erkannte. Vivaldis Vier Jahreszeiten . Ich hatte es schon oft gehört. »Musik ist die rechte Hand, Ruby, und Malerei die linke. Die eine stützt die andere. Zusammen sind sie gleichwertige Teile kreativer Vollkommenheit.« Das hatte Mutter immer gesagt, wenn ich mich als Kind beschwerte, weil sie mich in klassische Symphonien schleppten. Die eine oder andere durfte ich auslassen, aber nicht Vivaldi. Vivaldi war Mutters Lieblingskomponist.
    Jetzt kam oben am Fenster eine andere Person ins Blickfeld. Fasziniert sah ich zu, wie mein Vater eine Hand um Mutters schlanke Taille legte und mit der anderen ihre schmalen Finger umfasste. Lächelnd sah sie zu ihm auf, bevor sie den Kopf an seine breite Brust lehnte. Ich ließ Tasche, Schlüssel und Einkäufe zu Boden sinken und blickte gebannt auf die Szene. Als er ihren Körper weit nach hinten neigte, warf sie den Kopf zurück und lachte. Ich atmete tief die kalte Luft ein, die mich zusammen mit dem süßen Duft des Geißblatts und den Klängen von Vivaldi erfüllte, und da wusste ich, dass ich diesen Augenblick für immer in mir bewahren würde. Sie wiegten und drehten sich, als wären sie eins, und das sanfte Licht spielte auf Vaters vertrautem Gesicht, während er liebevoll auf sie hinabblickte. Mutter hob ihr spitzes Kinn und sah zu ihm auf.
    Dies hier war mein Schutzschild gegen die Außenwelt. Die rechte Hand, die die linke stützte, der Zusammenfluss von allem, auf das Verlass und das doch so zerbrechlich war in dieser Zeit voll Hass und Angst. »Die Galerie deiner Mutter soll unter polizeilicher Beobachtung stehen

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