Die Farben der Freundschaft
und versuchte, den Kloß in meinem Hals loszuwerden.
»Für den Schulball muss man schon ein bisschen auf den Putz hauen. Das machen doch alle.«
Sie hatte recht. An diesem einen Tag legten alle ihre biederen Schuluniformen ab, am Abend des Schulballs durften wir anziehen, was wir wollten. Auffallende, gewagte Kleider sollten für all die Tage in Schuluniform entschädigen. An diesem Abend drückte jeder Lehrer der Barnard-Highschool ein Auge zu, wenn die Mädchen in knappsten Miniröcken erschienen, die kaum etwas verdeckten, oder die Jungen in weißen Hemden, die fast bis zum Nabel offen standen und im Licht der ultravioletten Scheinwerfer neonweiß leuchteten.
»Los, Ruby, probier doch mal an!« Janice drückte mir den Jumpsuit in die Hand.
»Okay, ich mach’s.« Zögernd steuerte ich die Umkleidekabine an.
Als ich dann in BH und Slip dastand, musste ich gegen die aufsteigenden Tränen der Enttäuschung kämpfen. Ich würde darüber hinwegkommen, wie ich über alles andere hinweggekommen war. Ich würde meine wahren Gefühle weiterhin verbergen. Allein Julian hatte die kleinen Risse in meinem nicht sehr ausgeprägten Selbstbewusstsein bemerkt.
»Und? Wie sieht es aus?« Janice, die vor den geschlossenen Vorhängen der Kabine stand, platzte fast vor Neugier.
Ich stieg in das leichte Kleidungsstück und schloss das rückenfreie Oberteil im Nacken.
»Nicht schlecht«, gab ich zu. Der Jumpsuit stand mir überraschend gut, oben lag er eng an, fiel um die Hüfte herum lockerer und ging dann in weit ausgestellte Hosenbeine über. Das pastellfarbene Grün kontrastierte schön mit meinen dunklen Augen und Haaren.
»Mannomann!« Janice hatte den Vorhang aufgerissen, bevor ich protestieren konnte. »Fabelhaft siehst du aus!«
Ich wurde rot. »Danke, Janice, du bist ein guter Kumpel.«
Und das stimmte, sie war ein guter Kumpel, aber keine beste Freundin. Das musste vorerst genügen. Wenn ein Kumpel die Freundschaft aufkündigte, tat es nicht so weh. Ich bezahlte den Jumpsuit und schloss insgeheim einen Pakt mit mir: Mit besten Freundinnen war ich fertig. Für immer.
Janice, die sich für einen weit schwingenden Rock mit besticktem Saum und für ein Oberteil aus indischer Baumwolle, gemustert und mit Glockenärmeln, entschieden hatte, kramte zerknüllte Geldscheine aus ihrem großen gehäkelten Portemonnaie. Danach beschlossen wir den Nachmittag bei Cabbages and Kings. Ich fand, es sei höchste Zeit, mal ein anderes Essen zu bestellen, und wählte die Reis-Tofu-Kreation, Monicas Lieblingsgericht, aber beim Schlucken brannte mir jeder Bissen im Mund.
Janices Mutter holte uns in ihrem grauen Kombi ab. Mit einem gewagten Schwenk scherte sie aus und kam mit quietschenden Reifen an der Ecke Piet Retief Avenue und Bishops Boulevard zum Stehen. Sie wedelte mit ihrem wabbeligen Arm, für den Fall, dass wir sie nicht bemerkt hätten. Dabei war sie kaum zu übersehen mit ihrer altmodischen hoch toupierten Frisur und ihren falschen Klimperwimpern. Hinten im Auto rekelte sich Janices achtjähriger Bruder Gerald. Er hatte seinen massigen Körper über beide Sitze verteilt und schien alles andere als begeistert, den Platz nun mit jemandem teilen zu müssen.
Ich quetschte mich auf das freie Eckchen neben ihm, Janice setzte sich neben ihre Mutter. Im Wagen roch es nach Tage alter Pizza. Mrs. Harris bombardierte mich mit Fragen, kaum dass die Wagentür geschlossen war, und Gerald bombardierte seine Umgebung mit weich gekauten Papierkügelchen, die er durch einen Strohhalm pustete. Ich bot natürlich sein nächstliegendes Ziel. Janice war so damit beschäftigt, ihre Neuerwerbungen aus der Tüte zu ziehen und zu bewundern, und Mrs. Harris so darauf konzentriert, mir auf der fünfzehnminütigen Autofahrt bis zu unserem Haus so viel wie möglich zu entlocken, dass keine der beiden bemerkte, dass ich unter ständigem feucht-ekligem Papierkugel-Beschuss stand. Ich versuchte die Dinger abzuwehren, aber es war ein aussichtsloser Kampf. Im Kauen und Spucken besaß dieser übergewichtige Achtjährige die Geschwindigkeit eines Geparden.
»Janice sagt, dass ihr Streit hattet, du und Monica Benson? Na ja, ich konnte dieses Mädchen noch nie leiden … die ist hinter allem her, was Hosen trägt, so eine ist das doch. Ich war mit ihrer Mutter zusammen auf der Highschool, du weißt schon, Lynette, also die saß ja auch immer auf dem hohen Ross.« Als sie mit einem langen, silbern lackierten Fingernagel von oben in ihre aufgetürmte Frisur
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