Die Farben der Freundschaft
Entdeckung gefragt und von Vater mit allen juristischen Finessen bedrängt, musste der inzwischen nervös gewordene junge Mann einräumen, dass er keinen der beiden unbekleidet gesehen hatte. Als Dashel dem Vorgesetzten des schmucken Polizisten schließlich die Nadel mit dem Faden zeigte, die noch immer an seinem Hosenknopf hing, mussten sie sowohl Dashel freilassen als auch Sookie, die in einem anderen, ausschließlich für Schwarze vorgesehenen Trakt der Polizeiwache festgehalten wurde. Bis alle Formalitäten für die Entlassung erledigt waren, dauerte es Stunden, und so vertrieb sich Dashel die Zeit, indem er die Beamten auf der Polizeiwache unterhielt. Als ihm schließlich die Handschellen abgenommen wurden und er seine Sachen wiederbekam, habe er sich eine letzte Bemerkung nicht verkneifen können, erzählte er.
»Ich habe dem Polizeibeamten, der mich festgenommen hat, in die Augen geschaut und gesagt, dass ich, Dashel Bryant, erklärter Homo, mich sexuell niemals mit einer Frau abgeben würde, sei sie nun schwarz, weiß oder rot!«
»Und ich wage zu behaupten, dass daraufhin er puterrot geworden ist!«, setzte Vater hinzu, und wir lachten alle.
Die Freude darüber, dass man Dashel und Sookie freigelassen hatte – in einem Land, in dem Verdächtige ohne jeden Grund monatelang, sogar jahrelang festgehalten werden konnten –, ließ in den nächsten Tagen rasch wieder nach. Allmählich begriffen wir die harte Realität: Wir standen überall unter polizeilicher Beobachtung. Die dunklen Schatten der geheimen Überwachung hingen nicht nur über der Galerie und über Dashels Haus im idyllischen Viertel Norwood. Jetzt merkten wir, dass die Polizei ihre Sicherheitskräfte verstärkt hatte und auch unser Haus beobachten ließ. Sie registrierten, wer kam und ging und welche, möglicherweise illegalen, Aktivitäten in unserem Vorstadthaus stattfanden. Sie lungerten auch in der Eingangshalle des Bürohauses herum, in dem Vater arbeitete, und ich befürchtete, dass sie vielleicht sogar mein Leben ausspionierten.
In dieser Woche fuhr ich jeden Tag zur Schule, ohne mich an den kurvigen Straßen und dem üppigen Laub freuen zu können. Stattdessen hielt ich ständig mit einem Auge Ausschau, blickte zur Seite und über die Schulter, ob nicht ein Zivilfahrzeug der Polizei langsam und mit konstanter Geschwindigkeit hinter mir herfuhr und jede meiner Bewegungen registrierte. Manchmal glaubte ich, ihre Präsenz so stark zu spüren, dass ich mich rücksichtslos durch den Verkehr drängte und mit quietschenden Reifen Fußgängern auswich, nur um zu entkommen. In solchen verzweifelten Momenten wurde ich ganz zu Ruby, der Geächteten, und ich stellte mir vor, wie hinter mir eine Staubwolke aufstieg und meinen Verfolgern die Luft nahm. Aber mein wildes Pony trickste sie immer wieder aus.
13
ICH konnte den Samstagsbesuch bei Loretta kaum erwarten. Es war eine schreckliche Woche gewesen. Mutter war bedrückt, nervös und ständig am Nägelkauen, was sonst gar nicht ihre Art war. Julian wirkte leicht reizbar und unzufrieden, seit meine Eltern ihm geraten hatten, erst nach der Ausstellung wieder aus dem Haus zu gehen – sie befürchteten, man könnte ihn unter einem Vorwand verhaften und hinter Gitter bringen. Die meiste Zeit verbrachte er im Atelier mit Grübeln, Auf- und Abgehen und Malen, und wenn ich spät abends an seine Tür klopfte und ihm eine heiße Schokolade anbot, lehnte er ab. Vater sah müde und abgespannt aus, saß stundenlang in seinem Arbeitszimmer hinter geschlossener Tür und führte im Flüsterton Telefongespräche, von denen er hoffte, dass sie nicht abgehört wurden.
Ähnlich trübe sah es in der Schule aus. Janice fehlte, weil sie sich von ihrem jämmerlichen Bruder Gerald die Grippe eingefangen hatte. Clives Eltern hatten ihm plötzlich eröffnet, sie würden sich unmittelbar nach seinem Highschool-Abschluss scheiden lassen. Und er plante deshalb, in jedem Fach durchzurasseln, damit sie am Ende doch zusammenblieben. Monica hatte in der Warteschlange vor dem Schulkiosk versucht, mich anzusprechen, aber ich hatte mich umgedreht und war weggegangen, bevor sie mir nahe kommen konnte. Verrat blieb Verrat. Die ganze Woche über verbrachte ich meine Mittagspause mit einem total niedergeschlagenen Clive am anderen Ende des kahlen Rugbyfeldes.
Ich machte Ketten aus trockenen abgefallenen Kiefernnadeln, und Clive schwor, nie zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen. Die Aussicht auf Samstag war das helle Licht
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