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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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Begleitung kennengelernt hatte, wurden uns immer als »mein guter Freund Basil« oder »mein enger Freund Brian« vorgestellt.
    Ich versuchte zwar, mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass Vater alles regeln würde, trotzdem war ich, kaum dass es zum Schulschluss geläutet hatte, auf den Beinen und rannte zu meinem Fahrrad. Kräftig trat ich in die Pedale und fuhr zu dem einzigen Ort, wo ich Gewissheit bekommen würde.
     
    Die Polizeiwache von Rosebank sah nicht unbedingt nach Gefängnis aus. Vielleicht weil sie in einem der piekfeinen nördlichen Vororte von Johannesburg lag, hatte man das Gebäude so konzipiert, dass seine moderne Architektur und der runde, reichhaltig mit großen orangefarbenen Kois besetzte Fischteich den wahren Zweck verbargen. Im Inneren der Wache gab es jedoch nichts Modernes oder Schönes mehr. Kahle weiße Wände, Bankreihen, auf denen Menschen saßen und sich in Grüppchen zusammendrängten. Die meisten waren schwarz. Ein abgeschabter Holztresen mit unterteiltem Glasfenster, das zurzeit geschlossen war. Ein Schild mit der Aufschrift ring/ring, was sowohl auf Englisch als auch auf Afrikaans »Klingeln« hieß.
    Ich läutete also, und nach etlichen, quälend langsam verstreichenden Minuten wurde das Fenster von einer jungen, schlicht gekleideten Frau mit rotem Haar geöffnet. Ich spürte, wie sie meine Schuluniform musterte, die mich als Schülerin einer Privatschule auswies. Schließlich blieb ihr Blick auf dem Abzeichen der Barnard-Schule haften, das ich am Blazer trug.
    »Ja, bitte, Miss, was kann ich für Sie tun?«
    Wieder machte sich dieses ungute Gefühl in meinem Magen breit.Ich musste aufpassen, dass man es mir nicht ansah. »Mein Onkel … ich wollte nachfragen, wo er ist …«
    »Ist er verhaftet worden?«, fragte sie und klopfte mit dem Stift leise auf die Holzplatte des Tresens.
    »Ja, heute Morgen … er heißt Dashel.«
    Sie lächelte. »Ach ja, aber natürlich, der reizende Mr. Dashel Bryant. Er war sehr amüsant.«
    »Amüsant?«
    Amüsant war das letzte Wort, das mir an diesem Tag im Zusammenhang mit Dashel eingefallen wäre. Verängstigt. Gekränkt. Fassungslos und gedemütigt, das waren die Wörter, die mir in den Sinn gekommen waren.
    »Ja, er hat uns so zum Lachen gebracht mit seinen Geschichten; und bevor er ging, hat er mich sogar eingeladen, mal in der Galerie vorbeizuschauen.«
    »Bevor er ging …?«
    »Ja, Miss. Alle Beschuldigungen wurden fallengelassen.«
    »Fallengelassen?«
    »Miss? Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie scheinen ein bisschen …«
    »Alles bestens, doch, doch.« Ich brachte ein wenig überzeugendes Lächeln zustande.
    »Ein Glas Wasser vielleicht? Ja?« Sie verschwand in einem Hinterzimmer, ehe ich die Möglichkeit hatte, etwas einzuwenden. Ich suchte mit einer Hand Halt am Tresen. Der rasante Wechsel von nackter Angst zu freudiger Erleichterung richtete ein Chaos in meinem Gefühlsleben an.
    In einem Zug trank ich das Wasser aus, bedankte mich bei der rothaarigen Polizistin hinter dem Tresen, und schon saß ich wieder auf dem Fahrrad. Die Nachricht, dass Dashel in Sicherheit und nicht hinter Gittern war, stürzte mich in einen solchen Freudentaumel, dass ich jauchzte und lachte wie früher als Acht- oder Neunjährige, wenn ich mich über etwas riesig gefreut hatte. Ich lehnte mich weit auf dem Sattel zurück, nahm die Füße von den Pedalen und winkte allen zu, an denen ich vorbeirauschte. Manche winkten irritiert zurück. Sicher bot ich einen lächerlichen Anblick, aber das war mir egal. Wichtig war im Augenblick nur, dass Dashel in Sicherheit war und vielleicht längst mit Mutter und Thandi in der Galerie saß und Tee trank. Und das wollte ich jetzt auch tun.
    Während ich im Leerlauf durch die Jan Smuts Avenue rollte, fielen mir die Worte ein, die sie mir heute so spöttisch nachgerufen hatten.
    »Deine Familie hat Scherereien mit dem Gesetz«, hatte einer von Desmonds Kumpanen gejohlt.
    »Scherereien mit dem Gesetz«, so etwas sagte ein Sheriff mit glänzendem Stern zu einem sonnengebräunten Cowboy in einem Wildwestfilm.
    »Ruby Red.« So hatten sie mich genannt und, ja, das war ich auch. Ruby Red. Ausgestoßene. Betrügerin. Galgenvogel.
     
    Ich schwang mich vom Sattel, tätschelte mein Fahrrad und stolzierte durch den Eingang der Galerie. Meine Sporen ließ ich draußen.

12
    DAS Erste, was ich hörte, als ich durch das ovale Labyrinth der Ausstellungsräume ging, war Gelächter. Es kam aus Mutters Büro und wurde immer wieder

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