Die Farben der Freundschaft
mich frösteln. Brennende Lampions erhellten den Garten, der von einem nierenförmigen Swimmingpool beherrscht wurde.
»Boetie!«, rief Loretta. » Kom, my vriendin Ruby is hier! «
Am anderen Ende des Gartens, hinter dem Swimmingpool, stand jemand über die rotgoldenen Flammen des braai gebeugt; er schien ganz in seine Tätigkeit vertieft zu sein.
»Boetie!«
Dieses Mal hörte er die Stimme seiner Schwester und sah in unsere Richtung. Da ließ der Lichtschimmer des Feuers das Gold seiner Haare aufleuchten, und in diesem Moment erkannte ich die Art seiner Bewegungen wieder, die Sicherheit seiner Gesten. Er drehte sich um, winkte und legte die große Gabel aus der Hand, genau der Hand, in der ich zuletzt einen Rugbyball gesehen hatte. Die Welt stand still.
Johann war »Boetie«! Lorettas Bruder, mit dem ich am Telefon gesprochen hatte, war Johann. Wieso hatte ich das nicht gewusst?
Johann lächelte und kam auf uns zu. Mein Herz hüpfte wie die Flammen, die hinter ihm aufleuchteten.
Er streckte die Hand aus, und ich spürte, wie ich zitterte, als seine Finger meine berührten. »Schön, dich kennenzulernen, Ruby.«
»Ja«, das war alles, was ich herausbrachte, und dann noch: »Sehr schön.«
»Loretta hat erzählt, dass du so hübsch seist, und da hat sie ausnahmsweise nicht gelogen.« Er hielt meine Hand noch einen Moment in seiner, und als er sie losließ, fehlte sie mir sofort.
»Danke«, stotterte ich. »Ich habe dich gesehen, wie ihr gegen unsere Schule gewonnen habt.«
»Ich habe doch gesagt: lekker mooi! « Loretta knuffte ihren Bruder liebevoll in den Arm. »Und lügen tu ich nicht, Boetie!«
»Seit meine Schwester mit dir befreundet ist, spricht sie viel besser Englisch«, sagte Johann. »Vorher konnte sie Englisch nicht ausstehen – ja, sussie ?«
Wir gingen langsam um den Pool herum zum braai , und ich fühlte mich plötzlich so leicht und froh wie lange nicht mehr. Als ich über die Düse eines Rasensprengers stolperte, griff Johann nach meinem Arm.
»Alles okay?«, fragte er. Ich spürte seine Hand auf meinem Ellbogen.
»Ja«, sagte ich und lächelte. »Alles gut.« In Wahrheit ging es mir besser als gut. Wunderbar ging es mir.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis ich langsam das Unmögliche begriff: Dies alles geschah wirklich. Johann Duikster sprach mit mir, und er legte währenddessen für unser gemeinsames Essen boerewors und Steaks auf eine Platte.
Wir gingen in die Küche, und ich half Loretta, den Tisch in der Essecke decken, während Johann das Fleisch zusammen mit dem Mais, der in einem Topf auf dem Herd gekocht hatte, auf Teller verteilte. Offenbar hatten ihre Bediensteten samstags frei statt wie die meisten donnerstags.
Das Telefon klingelte, und Johann ging ran. Als er zurückkam, sagte er, ihr Pa habe angerufen und gesagt, wir sollten nicht auf ihn warten, im Club werde es heute später.
Unser Gespräch beim Essen sprang von einem Thema zum andern, und ich stellte fest, dass Johann die gleiche Wärme und Unbefangenheit ausstrahlte wie seine Schwester. Wir sprachen über die neueste Musik aus England und Amerika. Die Rolling Stones und die Eagles waren Johanns Lieblingsbands, ich stand eher auf Carol King und Fleetwood Mac. Loretta, ein großer Fan von Abba, erklärte, von Olivia Newton John sollte man unbedingt ein Poster an der Wand hängen haben. Ich warf zwischendurch immer wieder einen Blick auf Johann, um mich zu vergewissern, dass er echt war und ich ihn mir nicht nur herbeigeträumt hatte. Ab und zu begegnete er meinem Blick und sah mich dann gerade so lange an, bis ich spürte, dass ich rot wurde, und wegsah. Loretta schien unser Flirten bemerkt zu haben.
»Johann sagt immer, die meisies an unserer Schule sind alle langweilig …« Sie sah ihren Bruder mit einem boshaften Grinsen an. »Aber die Mädchen sind trotzdem alle hinter ihm her.«
Johann lachte. »Die stehen nur auf das Bild, das sie sich von mir machen – Captain in diesem und Captain in jenem Verein. Wie ein Vertrauensschülerabzeichen, das man sich an den Schulblazer stecken kann.«
»Ruby ist Vertrauensschülerin.« Loretta fing an, den Tisch abzuräumen.
»Ich auch«, sagte Johann. »Da haben wir was gemeinsam, oder?« Er sah mich an.
»Ja«, antwortete ich und spürte, wie ich tiefer und tiefer in seinen wasserblauen Augen versank.
Das laute Zuschlagen der Haustür zerstörte diesen wunderbaren Moment.
» My pa kommt.« Loretta wandte sich an Johann. »Kein Streit, Boetie, ja?«
»Mein Vater und
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