Die Farben der Freundschaft
ich, wir sind nicht immer – wie sagt man – einer Meinung«, erklärte Johann.
Ich hatte keine Gelegenheit, etwas dazu zu sagen, weil jetzt Meneer Duikster den Raum betrat und seine tiefe Stimme durch die Küche dröhnte. Der säuerliche Geruch von Whisky umwehte ihn.
»Aangename kennis .« Er sprach ein wenig lallend. Prüfend musterte er mich, gab mir aber nicht die Hand. Meneer Duikster war von großer kräftiger Statur und trug einen kurzen Spitzbart. Sein Kopf war vollkommen kahl, trotzdem wirkte er noch jung, er war wohl etwa in Vaters Alter, Mitte vierzig.
Ich stand auf und machte fast einen Knicks vor ihm. »Aangename kennis, Meneer Duikster« , sagte ich in meinem besten Afrikaans und versuchte, in seiner Alkoholfahne möglichst flach zu atmen. Der starke Geruch, der ihn umgab, schien weder Johann noch Loretta zu stören, und ich überlegte, ob sie sich mit der Zeit womöglich daran gewöhnt hatten.
Loretta sprang auf und eilte in die Küche, um ihrem Paetwas zu essen herzurichten. Die herzliche entspannte Atmosphäre, die in der Küche geherrscht hatte, war verflogen. Ich spürte, wie meine Hände heiß und feucht wurden und wie sich meine Kehle zuschnürte, sodass ich kein Wort mehr herausbrachte. Das spielte aber offenbar keine Rolle, weil Meneer Duikster mich nicht mehr ansah und mir auch keine Fragen stellte. Er aß bedachtsam und schien noch ganz benommen von seinem spätnachmittäglichen Umtrunk. An Johann und Loretta richtete er ein paar Fragen auf Afrikaans und nuschelte dabei mit vollem Mund vor sich hin, sodass ich kaum etwas verstehen konnte. Es war irgendetwas über Johanns Rugbytraining und eine Frage an Loretta wegen eines Hemds, das er am Montag vom Dienstmädchen gebügelt haben wollte. Johann beantwortete seine Fragen kurz und knapp, warf mir aber zwischendurch ein entschuldigendes Lächeln zu und fragte mich, ob ich noch etwas essen wolle. Mehr als ein Kopfschütteln brachte ich nicht zustande. Ich sah die harten Linien um Meneer Duiksters verkniffenen Mund und fand, dass trotz seiner schwerfälligen schleppenden Redeweise etwas Kaltes in seinen Worten lag. Weder Loretta noch Johann kamen nach ihrem Vater, das war eindeutig. Ihre Freundlichkeit und Wärme hatten sie von der sanften hübschen Frau auf dem gerahmten Foto, die schon so lange tot war. Mir fiel auf, dass sich Loretta plötzlich überdreht und verkrampft benahm, als sie mit ihrem Vater zu plaudern versuchte. Wie war seine Golfpartie gelaufen? Ob er sich nach dem Essen hinlegen wolle?
Außerdem gab Loretta sich Mühe, die Lücken in Johanns einsilbigen Antworten zu füllen. Sie spielte eindeutig die Rolle der Vermittlerin zwischen den beiden. Meneer Duikster schien ihr gegenüber freundlicher und gutmütiger zu sein, falls sich das überhaupt so sagen ließ.
Sobald er mit essen fertig war, stützte er sich am Tisch ab und stand mit unsicheren Beinen auf. Er nickte mir flüchtig zu, als er an mir vorbeiging.
Kaum hatte Meneer Duikster die Küche verlassen, spürte ich, wie meine Kehle wieder frei und weit wurde.
» Askies vir Pa.« Loretta räumte schnell sein Gedeck ab, als wollte sie den Tisch von dem säuerlichen Geruch und dem Missmut befreien, die er in der Küche hinterlassen hatte. »Samstag ist für ihn der Tag, an dem man Golf spielt und Whisky trinkt.«
»Er ist … wie sagt man …« Johann schwenkte die Limonade in seinem Glas. »Ganz schön nervenhaft.«
»Ganz schön nervig«, sagte ich.
»Nicht immer ist er so schlimm.« Loretta senkte den Blick. »Es tut mir leid. Ich hätte mich woanders mit dir treffen sollen …«
»Aber dann hätte ich Ruby ja nicht kennengelernt!« Johann legte den Kopf schief und sah mich an, sein blondes Haar fiel ihm ins Gesicht, und ich spürte, wie mein Herz aussetzte und in meinen Bauch sackte.
Loretta lächelte und blickte von mir zu Johann und wieder zurück. »Na, dann bin ich auch froh darüber«, sagte sie langsam, und wieder spürte ich die Wärme in ihren Augen.
14
DER Sonntag rauschte einfach so an mir vorbei. Ich war im siebten Himmel, umgeben von weißen Sommerwolken, und in jeder saß Johann.
Ich half Mutter beim Hängen der Bilder für die Ausstellung. Ich schrieb die Arbeit für Englische Literatur über das Thema, ob Liebe von Natur aus tragisch sei, noch einmal neu. Ich hatte meine Meinung grundlegend geändert und schrieb, natürlich sei Liebe nicht von Natur aus tragisch!
Am Donnerstagabend saß ich Julian in seinem Atelier Modell. Er hatte
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