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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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wurde. Ich hielt seinem Blick stand, denn er gab mir die Kraft, das zu tun, was ich jetzt tat. Langsam, Zentimeter um Zentimeter, schob ich meine Hand vor, bis ich mit den Fingern einen Zipfel des schwarzroten Tuchs erreichte, das Julians Bild verdeckte. Ich sah unentwegt meinem Vater in die Augen und zog dabei kaum wahrnehmbar an dem Tuch, bis es zu Boden fiel. Ich getraute mich nicht nachzuschauen, welches Bild ich enthüllt hatte, doch das kleine triumphierende Lächeln auf Vaters Lippen sagte mir, dass es ein bedeutendes sein musste.
    »Doch kein so kluges Mädchen, wie?« Die hoch aufragende Gestalt des Polizeibeamten in Zivil kam mit schnellen Schritten auf mich zu. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst deine Mutter warnen.« Er griff nach meinem Handgelenk, zog es mit einem Ruck von der Wand und verdrehte es. »Und das alles für diesen …«, spöttisch sah er auf das Bild, das ich für alle Blicke offengelegt hatte. Es war jenes Gemälde, das Julian und ich zuletzt eingepackt hatten. Die Hoffnung der Unterdrückten.
    Der Polizist spuckte auf den Bilderrahmen. »Eine Kaffernhure mit einem Haufen dreckiger Wäsche auf dem Kopf ! Ganz schön blöd, wenn du mich fragst.« Er sog hörbar die Luft ein wie damals, bei seinem ersten Besuch in der Galerie, als könnte er den Schweiß der erschöpften Frau riechen. Bevor er mein Handgelenk losließ, drückte er noch einmal fest zu, aber ich gab mir Mühe, nicht einen Laut hören zu lassen.
    Nun wurde Vater aktiv. Vielleicht hatte ihn meine kleine Aufsässigkeit angestachelt oder das harte Vorgehen des Polizisten, jedenfalls wusste er als Anwalt, der regelmäßig mit dem Polizeiapparat zu tun hatte, wie er nun handeln musste. Mit erhobenen Händen rief er über die stumme und verängstigte Menge hinweg, die inzwischen von Polizisten eingekreist war. Er richtete seine Worte an den Kriminalbeamten, der gerade auf die schöne Schwarzafrikanerin in der farbenprächtigen traditionellen Kleidung zuging.
    »Ich bin Rechtsanwalt. Als solcher habe ich das Recht zu erfahren, wo sich mein Klient, Mr. Mambasa, befindet. Bitte beantworten Sie meine Frage.« Vaters Absicht war es, den Polizisten von der schreckensstarren Frau und ihrem stoisch neben ihr stehenden, politisch aktiven Ehemann abzulenken.
    »Ich weiß sehr gut, wer Sie sind, Mr. Winters. Wir von der Sicherheitspolizei haben eine umfangreiche Akte über Sie. Unterstützer des ANC, Anwalt im Rivonia-Prozess, Verteidiger der Eingeborenen«, erwiderte der Polizist zynisch, nahm eine Zigarette aus der Tasche seines karierten Jacketts und zündete sie an. Er sprach durch die Rauchringe, die einer nach dem andern wie Stacheldrahtschlingen ins Gesicht der Frau trieben. »Einen wie Sie, Mr. Winters, nennen wir kaffir-boetie , Freund der Schwarzen, einen, der die eigene Haut für diese Schmarotzer riskiert.« Er trat einen Schritt auf die Afrikanerin zu und blies ihr einen Schwaden Zigarettenrauch in die Nasenlöcher. Ich sah, wie ihr Mann die erhobenen Hände zu Fäusten ballte. Die Frau begann hemmungslos zu husten.
    Der Polizist lachte. »Damit sind deine großen Nüstern wohl überfordert, was? Ich bin sicher, du hast dir schon ganz andere Sachen reingezogen!«
    »Genug!« Mutters Stimme tönte hell durch die Galerie. Der Geheimpolizist drehte sich überrascht zu ihr um.
    Mutter war von drei jungen Polizisten umringt, die alle diesen unangenehmen Kurzhaarschnitt trugen. Sie hatte sich inzwischen vom Boden aufgerappelt und war die Einzige im Raum, die nicht die Arme erhoben hatte. Und nun zeigte sie mit ihren zierlichen kleinen Händen langsam auf einzelne Personen im Raum. »Mr. Matheson von der London Times , Sie können die Hände herunternehmen.« Der nervöse Gentleman mit dem Schnurrbärtchen gehorchte ihrer Aufforderung zögernd. »Mr. Bates vom San Francisco Chronicle …«, ihr Finger wies jetzt auf den Amerikaner, »… folgen Sie getrost dem Beispiel Ihres Kollegen.« Sie hielt Ausschau nach weiteren bekannten Gesichtern. »Miss Williams, nicht wahr?« Die junge rothaarige Frau nickte hastig. »Die neue Kunstkritikerin von der Rand Daily Mail , unserer ureigenen Zeitung …«, das sagte Mutter mit besonderem Nachdruck, »bitte nehmen Sie die Arme herunter.« Argwöhnisch musterte die junge Frau ein auf sie gerichtetes Gewehr, doch dann kam sie Mutters Aufforderung nach.
    Ich spürte eine Veränderung im Raum. Die Polizisten schienen plötzlich nervös zu werden, sie hielten ihre Gewehre nicht mehr ganz so

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