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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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hielt ihr bloßes Handgelenk hoch und blickte auf eine imaginäre Armbanduhr. Wieder wurde gelacht. »Es ist auch der Beginn einer neuen Ära der Township-Kunst und der Stimme schwarzer Maler in einem Land der Unterdrückung.« Sie hob ihre sorgfältig manikürten Finger, als vereinzelter Applaus aus der Menge kam.
    Mein Hals fing wieder an zu schmerzen und mir wurde schwindlig. Ich wünschte, ich könnte Johanns starken Arm um meine Taille spüren und mich bei ihm anlehnen, aber Mutter und Vater waren sich einig gewesen, dass es nicht infrage käme, ihn einzuladen. Ich wusste, sie hatten recht. Nicht nur aus den naheliegenden Gründen, sondern auch, weil dies Julians Abend war, den nichts verderben sollte. Ich stützte mich also an der Wand neben einem von Julians Bildern ab, um mich aufrecht zu halten, und versuchte, mich auf Mutters Worte zu konzentrieren.
    »Ernest Hemingway hat in seinem Roman In einem anderen Land über einen Mann namens Frederic Henry geschrieben, der dem Wahnsinn und den Gräueln des Ersten Weltkriegs ausgeliefert ist.« Mutter hob ihre Stimme. »Dieser Henry ist ein Mann der Tat, der Selbstdisziplin und, was am wichtigsten ist, er ist ein Mensch, der auch unter Druck Würde und Anstand bewahren kann.« Um die dramatische Wirkung zu steigern, hielt sie kurz inne und deutete mit der Hand zu der noch geschlossenen Tür zu ihrer Linken. »Ein solcher Mensch, meine Damen und Herrn, ist Julian Mambasa. Er hat sich seine aufrechte Haltung, seine Leidenschaft, seine Disziplin und vor allem seine liebenswürdige Art unter extrem schweren Bedingungen und enormem Druck erhalten. Er ist ein herausragender Künstler, wie Sie gleich sehen werden, aber er ist vor allem ein bemerkenswerter Mensch, der die Fähigkeit besitzt, den Schmerz und das Leid der Menschen seiner Zeit und seines Volkes einzufangen und durch seine Arbeiten an uns weiterzugeben.« Mutters Stimme wurde brüchig, so ergriffen war sie jetzt. »Es ist mir eine große Ehre, und es erfüllt mich mit Demut und Stolz, Ihnen … Julian Mambasa vorstellen zu dürfen!«
    Als sie seinen Namen aussprach und die Besucher laut und enthusiastisch applaudierten, schwankte der Boden unter meinen Füßen, und mir wurde schon wieder übel. Dashel ging zur Küchentür und riss sie mit majestätischem Schwung auf. Alle Augen im Raum, auch meine, waren gebannt auf diese Tür gerichtet, die Tür, durch die Julian jetzt kommen würde, das neue junge Gesicht der afrikanischen Kunst, der Fackelträger seines Volkes. Der Applaus schwoll an und … verstummte plötzlich. Hände, die eben noch begeistert geklatscht hatten, bedeckten jetzt erschrocken Münder, und alles stand wie erstarrt. Ich weiß nicht mehr, ob ich zuerst das entsetzte Einatmen der Menschen im Raum hörte oder ob ich zuerst das Gesicht des Mannes im Türrahmen der Küche sah, jenes Mannes, den ich so fürchtete. Es war der Kriminalbeamte mit den gnadenlosen kalten grauen Augen und dem dunklen Bürstenhaarschnitt, der vor uns stand. Als ein Stöhnen aus der Menge kam, riss er sein Gewehr hoch; jemand schrie auf, und die verängstigten Gäste machten Anstalten, in alle Richtungen auseinanderzulaufen.
    »Halt! Keiner rührt sich von der Stelle!«, rief der Kriminalbeamte mit harter kehliger Stimme.
    Ich hätte mich sowieso nicht bewegen können. Für einen Augenblick hatte ich abgehoben und schwebte sozusagen über der Galerie – ich wollte nicht länger auf dieser schrecklichen Erde bleiben. Ich sah, wie meine Mutter von panisch fliehenden Menschen vom Stuhl gestoßen wurde, ihr Rock schlug hoch, als sie fiel. Da lag sie, klein und zerknittert, der lavendelfarbene Rock und die gelbe Bluse ihr einziger Schutz gegen den Ansturm blau uniformierter Polizisten, die jetzt von allen Seiten in die Galerie stürmten, Gewehre im Anschlag und Kommandos auf Englisch und Afrikaans brüllend. Wir taten, was die meisten Menschen tun, wenn sie sich Gewehrmündungen gegenüber sehen. Wir hoben die Hände.
    Ich stand dicht an der Wand, hatte die eine Hand erhoben und stützte mich mit der andern vorsichtshalber an der Mauer ab, unmittelbar neben einem der verhängten Bilder. Meine Augen irrten durch den Raum, bis sie Vaters Gesicht gefunden hatten. Ich ahnte, dass er, seit die Polizei durch die Türen gestürmt war, verstohlen den Blickkontakt zu mir gesucht hatte. Als er mich in der Menge entdeckte, huschte ein Ausdruck der Erleichterung über sein Gesicht, der allerdings sofort von unverkennbarer Wut abgelöst

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