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Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Würdentracht, das Heim der Götter. Diese besonderen Götter blicken auf eine einzigartige Welt hinab, aber trotzdem sind sie nur selten zufrieden. Es stimmt sie verlegen zu wissen, Götter einer Welt zu sein, die nur deshalb existiert, weil jede Unwahrscheinlichkeitskurve nicht nur einen Anfang hat, sondern auch ein Ende. Hinzu kommt, daß sie in andere Dimensionen sehen können und dort Welten betrachten, deren Schöpfer sich durch den bereits erwähnten Phantasiemangel auszeichnen und himmelsmechanische Strukturen vorziehen. Kein Wunder, daß die Scheibenweltgötter den größten Teil ihrer Zeit damit verbringen, sich zu zanken, anstatt Omnikognition anzustreben.
    An diesem besonderen Tag saß der Blinde Io – er verdankte es seiner ständigen Wachsamkeit, Oberhaupt aller Götter zu sein – an einem roten Marmortisch, stützte das Kinn auf die Hand und betrachtete ein Spielbrett. Man nannte ihn Blinden Io, weil sich leere glatte Haut dort erstreckte, wo man für gewöhnlich die Augenhöhlen vermutete. Natürlich mangelte es ihm nicht an Augen. Er hatte sogar ziemlich viele, und sie führten ein recht unabhängiges Eigenleben. Mehrere von ihnen schwebten jetzt über dem Tisch.
    Das Spielbrett stellte eine mit allen Einzelheiten der Scheibenwelt ausgestattete Karte dar, eingeteilt in Quadrate. Auf einigen davon standen kunstvoll geformte Figuren. In zwei von ihnen hätte ein menschlicher Beobachter Bravd und Schleicher wiederkannt. Andere repräsentierten weitere Helden und Meisterkämpfer, von denen es auf der Scheibenwelt geradezu wimmelte.
    Noch im Spiel waren Io, der Krokodilgott Offler, Zephir, Gott der leichten Brisen, Verhängnis und die Lady. Nach dem Ausscheiden der unwichtigeren sakralen Entitäten herrschte eine Atmosphäre der Konzentration am Tisch. Zufall wurde zu einem frühen Opfer, als sein Held in ein Haus mit Dutzenden von Gnollen stürmte (das Ergebnis eines glücklichen Wurfs Offlers). Kurz darauf löste Nacht ihre Chips ein und wies darauf hin, sie sei mit Schicksal verabredet. Einige kleinere Gottheiten schlichen sich heran und spähten über die Schultern der Spieler.
    Nebenwetten wurden abgeschlossen, und bei den meisten ging es darum, daß auch die Lady bald ausscheiden würde. Ihr letzter nennenswerter Trumpf war jetzt nur noch Pottasche in den Ruinen der noch immer qualmenden Stadt Ankh-Morpork, und sie besaß kaum mehr andere wichtige Figuren.
Der Blinde Io griff nach dem Würfelbecher – es handelte sich um einen Schädel, dessen verschiedene Öffnungen man mit Rubinen zugestopft hatte –, sah die Lady aus mehreren Augen an und würfelte drei Fünfen.
    Die Lady lächelte. Ihre Augen waren hellgrün, und darin fehlten sowohl Iris als auch Pupille; außerdem glühten sie von innen heraus.
    Es wurde völlig still im Zimmer, als sie in ihrer Schachtel mit Spielfiguren kramte, zwei hervorholte und sie entschlossen aufs Brett setzte. Die anderen göttlichen Spieler beugten sich gleichzeitig vor.
    »Ein unfähiger Zauberer und eine Art Angeftellter«, sagte der Krokodilgott Offler. Aufgrund seiner langen Reißzähne hatte er wie üblich Schwierigkeiten mit der korrekten Aussprache. »Na, waf foll man davon halten?« Mit einer Klauenpranke schob er einen Haufen knochenweißer Münzmarken in die Mitte des Tisches.
    Die Lady nickte knapp, griff nach dem Becher und hielt ihn völlig ruhig. Trotzdem hörten die anderen Götter, wie sich die Würfel darin bewegten. Kurz darauf klackten sie über den Tisch.
    Eine Sechs. Eine Drei. Und eine Fünf.
    Doch mit der Fünf geschah etwas. Der entsprechende Würfel erzitterte unter der Wucht eines zufälligen Zusammenstoßes mit mehreren Milliarden Molekülen, drehte sich auf der einen Kante, neigte sich zur Seite – und zeigte eine Sieben.
    Der Blinde Io griff danach und zählte die Seiten.
»Ich bitte dich«, sagte er verärgert. »Mogeln ist verboten.«
    GEFÄHRLICHE ACHT
    Die Straße von Ankh-Morpork nach Chirm ist steil, weiß und kurvenreich. Über viele Meilen hinweg besteht sie aus Schlaglöchern und halb im Boden steckenden Felsen, führt in weiten Spiralen um Berge herum, neigt sich in kühle grüne Täler mit Zitrusbäumen hinab und überquert lianenverhangene Schluchten auf knarrenden Hängebrücken. Im großen und ganzen ist sie mehr pittoresk als nützlich.
    Pittoresk. Ein neues Wort für den Zauberer Rincewind ( Studentus magus der Unsichtbaren Universität [gescheitert]). Es gehörte zu einigen anderen, die er seinem Vokabular seit dem

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