Die Farben der Magie
eine finstere Miene. »Du hochnäsiger Barbar…«
»Das reicht!« knurrte Hrun. »Ich werde euch…«
Der Verwalter des Wissens hielt ihn zurück, indem er eine schmale Hand hob, in der sich blaue Adern abzeichneten.
»Es ist verboten, auf dem Todesboden zu kämpfen«, sagte er, zögerte kurz und dachte über die Unsinnigkeit dieser Regel nach. »Äh, ihr wißt, was ich meine«, fügte er hinzu, gab es auf und seufzte. »Als Herausgeforderte dürfen Lio!rt und Liartes die Waffen wählen.«
»Drachen«, erwiderten sie wie aus einem Mund. Liessa schnaubte.
»Drachen können zum Angriff benutzt werden, und deshalb sind sie Waffen«, sagte Lio!rt fest. »Wenn du anderer Ansicht bist, so schlage ich einen Kampf vor.«
»Ja«, pflichtete ihm Liartes bei und nickte Hrun zu.
Der Verwalter des Wissens spürte, wie ihm ein geisterhafter Finger an die Brust klopfte.
»Steh hier nicht mit offenem Mund herum«, ertönte Greichas Grabesstimme. »Beeil dich endlich!«
Hrun trat zurück und schüttelte den Kopf.
»O nein«, brachte er hervor. »Einmal genügt. Ich sterbe lieber, als auf einem verdammten Drachen zu kämpfen.«
»Dann stirb«, entgegnete der Verwalter des Wissens so freundlich wie möglich.
Lio!rt und Liartes schritten bereits über die Wiese und näherten sich den Bediensteten, die bei ihren Schuppenrössern standen. Hrun wandte sich an Liessa, die daraufhin die Schultern hob.
»Bekomme ich kein Schwert?« fragte er. »Nicht einmal ein Messer?«
»Nein«, antwortete die junge Frau. »Damit habe ich nicht gerechnet.« Sie wirkte plötzlich klein und hilflos. »Tut mir leid.«
»Dir tut es leid?«
»Ja. Es tut mir leid.«
»Du wiederholst dich.«
»Starr mich nicht so an! Ich erdenke einen besonders prächtigen Drachen für dich…«
»Nein!«
Der Verwalter des Wissens putzte sich die Nase, hob das seidene Taschentuch und ließ es fallen.
Hrun hörte das dumpfe Donnern von Flügeln und wirbelte herum. Lio!rts Drache war bereits aufgestiegen und kam näher. Während er dicht über der Wiese flog, loderte eine Flamme aus seinem Rachen und brannte einen schwarzen Streifen ins Gras, der auf den Barbaren zielte.
Im letzten Augenblick stieß er Liessa beiseite und fühlte stechenden Schmerz, als ihm das Feuer über den Arm brannte. Er sprang, rollte sich ab, kam mit einem Satz wieder auf die Beine und hielt nach dem anderen Drachen Ausschau. Das Ungeheuer raste von der Seite heran, und Hrun hechtete nach rechts, um der Flamme zu entgehen. Als der Drache über ihn hinweglitt, traf ihn der schuppenbewehrte Schwanz dicht über den Augen. Er stemmte sich in die Höhe und schüttelte den Kopf, um die blitzenden Sterne zu vertreiben. Der angesengte Rücken protestierte mit heißer Pein.
Lio!rt begann mit einem zweiten Angriff, aber diesmal flog er langsamer, um die unerwartete Flinkheit des Barbaren zu berücksichtigen. Die Entfernung schrumpfte, doch Hrun rührte sich nicht von der Stelle. Wie angewurzelt stand er im Gras und ließ die Arme baumeln – ein leichtes Ziel.
Als der Drache fortsegelte, drehte Lio!rt den Kopf und rechnete damit, einen schwelenden Aschehaufen zu sehen.
Statt dessen starrte er auf eine leere Wiese. Verwirrt blickte sich Lio!rt um.
Hrun zog sich mit der einen Hand über die Schulterschuppen des Drachen, und mit der anderen schlug er auf sein brennendes Haar ein. Lio!rt holte einen Dolch hervor, aber der Schmerz beschleunigte die ohnehin guten Reflexe des Barbaren. Ein Rückhandschlag stieß den Arm des Drachenlords beiseite, und der Dolch fiel zu Boden. Ein zweiter Hieb traf den Mann am Kinn.
Der Drache trug das Gewicht von zwei Männern und flog nur wenige Meter über dem Boden. Das erwies sich als Glücksfall, denn als Lio!rt das Bewußtsein verlor, verschwand der Schuppenriese.
Liessa eilte durchs Gras und half Hrun auf die Beine. Er sah sie an und blinzelte.
»Was ist geschehen?« stieß er verwirrt hervor. »Was ist geschehen?«
»Das war wirklich phantastisch!« erwiderte die junge Frau. »Der Salto mitten in der Luft und so – beeindruckend!«
»Ja, aber was ist passiert?«
»Das läßt sich nur schwer erklären…«
Hrun starrte nach oben. Der weitaus vorsichtigere Liartes kreiste hoch am Himmel.
»Nun, dir bleiben etwa zehn Sekunden, um es zu versuchen«, sagte der Barbar.
»Die Drachen…«
»Ja?«
»Eigentlich existieren sie gar nicht. Zumindest nicht wirklich, meine ich.«
»Soll das heißen, daß ich mir die Brandblasen am Arm nur einbilde?«
»Ja. Nein!« Liessa
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