Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
hier am Rand, und bisher habe ich nicht den Mut gefunden, in die Tiefe zu springen«, donnerte Tethis. »Wenn ich dich richtig beurteile, hast du ebenfalls nicht genug Mumm dazu.« Er trat zurück und ließ Rincewind zu Boden sinken.
    Zweiblum schlenderte zum Rand und spähte darüber hinweg.
    »Phantastisch!« entfuhr es ihm. »Wenn ich doch nur meinen Bildkasten hätte… Was gibt es sonst noch? Ich meine: Wenn man springt – was sieht man dann?«
Tethis setzte sich auf einen Felsvorsprung. Hoch über der Scheibenwelt kroch der Mond hinter einer Wolke hervor, und sein bleicher Glanz verlieh dem Troll die Tönung von Eis.
    »Vielleicht befindet sich meine Heimat dort unten«, sagte er langsam. »Jenseits eurer albernen Elefanten und der lächerlichen Schildkröte. Eine wahre Welt. Manchmal komme ich hierher und halte Ausschau, aber aus irgendeinem Grund kann ich mich nicht zu jenem letzten und entscheidenden Schritt durchringen… Eine wirkliche Welt, mit einem wirklichen Volk. Irgendwo dort unten habe ich Frau und Kinder…« Tethis unterbrach sich und schniefte leise. »Man erfährt schon bald, aus welchem Stoff man gemacht ist – hier am Rand.«
    »Bitte erinnere mich nicht dauernd daran«, stöhnte Rincewind. Er drehte sich zur Seite und sah Zweiblum, der unbekümmert an der Kante stand. »Gnah«, fügte er hinzu und versuchte sich in den Fels zu graben.
    »Dort unten gibt es eine andere Welt?« vergewisserte sich Zweiblum, beugte sich vor und starrte in die Tiefe. »Wo?«
Der Troll winkte unsicher. »Irgendwo«, antwortete er. »Mehr weiß ich nicht. Es ist eine recht kleine Welt, zum größten Teil blau.«
    »Und warum bist du hier?« erkundigte sich Zweiblum.
»Ist das nicht offensichtlich?« brummte Tethis. »Ich bin über den Rand gefallen!«

    E r erzählte von seiner Heimat Bathys, irgendwo zwischen den Sternen. Auf der Scheibenwelt des Trolls hatte das Meeresvolk in drei großen Ozeanen blühende Zivilisationen geschaffen. Tethis war Fleischsammler gewesen, ein Angehöriger jener Kaste, die sich ihren Lebensunterhalt auf gefährliche Weise verdiente: Mit großen Landseglern wagten sich er und seine Gefährten weit auf die sturmumtosten Kontinente und jagten Schwärme aus Rotwild und Büffeln. Sein Segler geriet in einen Orkan, kam dadurch vom Kurs ab und wurde in unerforschte Regionen getrieben. Die übrigen Besatzungsmitglieder brachen mit dem kleinen Ruderwagen auf, um einen fernen See zu erreichen, doch Kapitän Tethis beschloß, bei seinem Schiff zu bleiben. Die Böen trieben es über den felsigen Rand der Welt und zerschmetterten es dabei zu Feuerholz.
    »Zuerst fiel ich«, sagte Tethis. »Aber das Fallen ist gar nicht so schlimm, wißt ihr. Nur das Aufprallen tut weh, und unter mir erstreckte sich Leere. Während ich fiel, beobachtete ich, wie meine Heimatwelt über mir immer kleiner wurde und schließlich zwischen den Sternen verschwand.«
    »Was geschah dann?« fragte Zweiblum aufgeregt und blickte ins dunstige Universum.
    »Ich bin in der Kälte zu Eis erstarrt«, erwiderte Tethis schlicht. »Zum Glück kann mein Volk so etwas überleben. Gelegentlich taute ich in der Nähe von anderen Welten auf. Einmal sah ich eine, die von einem Ring aus hohen Bergen umschlossen wurde und sich als riesiger zusammengerollter Drache erwies, von Schnee und Gletschern bedeckt. Er hielt den eigenen Schwanz im Maul. Bis auf einige Dutzend Meilen kam ich heran, schoß wie ein Komet über die Landschaft und verschwand wieder. Als ich das nächste Mal erwachte, raste mir eure Welt wie eine vom Schöpfer geworfene Torte entgegen, und ich fiel ins Meer, nicht weit vom Umzaun entfernt. Wesen aller Art wurden von der Strömung zum Netz getrieben, und da man damals nach Sklaven für diese Überwachungsstationen suchte, kam ich schließlich hierher.« Der Troll legte eine kurze Pause ein und musterte Rincewind. »An jedem Abend stehe ich hier und sehe nach unten. Aber ich springe nie. Es ist schwer, mutig zu sein – hier am Rand!«
    Der Zauberer kroch entschlossen auf die Hütte zu. Er stieß einen gedämpften Schrei aus, als ihn Tethis behutsam packte und auf die Beine stellte.
    »Faszinierend«, murmelte Zweiblum und beugte sich noch weiter vor. »Dort draußen gibt es andere Welten?«
    »Ziemlich viele, soweit ich weiß«, entgegnete der Troll.
    »Man müßte doch etwas erfinden können«, sagte der Tourist nachdenklich. »Ich weiß nicht… Ein Ding, in dem man vor der Kälte geschützt ist. Eine Art Schiff, das es

Weitere Kostenlose Bücher