Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
mit einem Wetzstein über die Sense. Die Klinge war bereits so scharf, daß jede vorbeikommende Brise sofort in zwei ziemlich verblüffte Zephire zerschnitten wurde. Allerdings geschah es nur sehr selten, daß in Tods stillem Garten Wind wehte. Er erstreckte sich auf einem geschützten Plateau über den komplexen Dimensionen der Scheibenwelt, und jenseits davon ragten die kalten, stillen, dunklen und enorm hohen Berge der Ewigkeit auf.
    Sssst, machte der Wetzstein. Tod summte die Melodie eines Klagelieds und klopfte den Takt mit einem knochigen Fuß auf kalte Steinplatten.
    Jemand näherte sich durch den düsteren Obstgarten, wo die Nachtäpfel wuchsen, und Tod nahm den süßlichen Duft zertretener Lilien wahr. Er sah verärgert auf und blickte in Augen, die so schwarz waren wie das Innere einer Katze. Außerdem leuchteten Sterne darin, die nichts mit den vertrauten Konstellationen des realen Universums gemeinsam hatten.
    Tod und Verhängnis musterten sich gegenseitig. Tod grinste – eigentlich blieb ihm gar nichts anderes übrig, denn er bestand aus bleichen Knochen. Der Wetzstein sang rhythmisch über die Klinge, als er seine Arbeit fortsetzte.
    »Ich habe eine Aufgabe für dich«, sagte Verhängnis. Die Worte glitten zur Sense und zerfielen in zwei Bänder aus Konsonanten und Vokalen.
    HEUTE GIBT ES SCHON GENUG ARBEIT FÜR MICH, erwiderte Tod mit einer Stimme so schwer wie Neutronium. DIE SCHWINDSUCHT BREITET SICH IN PSEUDOPOLIS AUS, UND ICH WERDE DORT ERWARTET, UM VIELE BÜRGER VON IHREM LEID ZU BEFREIEN. SEIT HUNDERT JAHREN HAT ES KEINE SO GROSSE SEUCHE MEHR GEGEBEN. DIE PFLICHT VERLANGT VON MIR, DURCH DIE STRASSEN ZU MARSCHIEREN.
    »Ich meine den kleinen Touristen und seinen Begleiter, den unfähigen Zauberer«, erklärte Verhängnis, nahm neben dem ganz in Schwarz gekleideten Tod Platz und beobachtete das Scheibenwelt-Universum. Von diesem multidimensionalen Aussichtspunkt betrachtet, wirkte es wie ein bunt glitzernder Kristall.
    Der Sensengesang verstummte.
»Sie sterben in einigen Stunden«, sagte Verhängnis. »So ist es bestimmt.«
    Tod bewegte sich, und der Wetzstein schabte wieder über die Klinge. »Ich dachte, das würde dich freuen«, fügte Verhängnis hinzu. Tod hob die Schultern – eine eindrucksvolle Geste bei jemanden, dessen sichtbare Gestalt einem Skelett gleichkam.
    FRÜHER HABE ICH SIE UNERMÜDLICH GEJAGT, antwortete er. ABER DANN FIEL MIR EIN, DASS JEDER MENSCH FRÜHER ODER SPÄTER STIRBT. LETZTENDLICH STIRBT ALLES. MAN KANN MICH HINHALTEN, ABER NIEMALS GANZ LEUGNEN, SAGTE ICH MIR. WARUM SICH SORGEN MACHEN?
    »Niemand ist in der Lage, mich zu betrügen«, erwiderte Verhängnis scharf.
DAS HABE ICH GEHÖRT. Tod grinste noch immer.
»Das genügt!« Verhängnis sprang auf. »Sie werden sterben!« Er verschwand in einer blauen Stichflamme.
    Tod nickte langsam und konzentrierte sich wieder auf die Klinge. Nach einigen Minuten schien sie scharf genug zu sein. Er erhob sich, richtete die Sense auf eine dicke Kerze, die am Ende der Sitzbank brannte, schlug zweimal kurz zu und zerschnitt die Flamme in drei helle Streifen. Tod lächelte zufrieden.
    Kurze Zeit später betrat er den Stall hinterm Haus und sattelte seinen weißen Hengst. Das Tier beschnupperte ihn freundlich. Zwar hatte es scharlachrote Augen und Flanken, die wie geölte Seiten glänzten, aber es handelte sich trotzdem um ein Pferd aus Fleisch und Blut. Vermutlich war es besser dran als die meisten Lasttiere der Scheibenwelt: Tod pflegte es gut, und außerdem wog er nicht viel. Zwar ritt er oft mit prall gefüllten Satteltaschen, aber sie hatten überhaupt kein Gewicht.

    » S o viele Welten!« staunte Zweiblum. »Phantastisch!« Rincewind brummte etwas und ging vorsichtig durch das mit Sternen gefüllte Zimmer. Der Tourist blieb vor einem komplexen Astrolabium stehen, in dessen Mitte sich das Groß-A'Tuin-Elefanten-Scheibenwelt-System zeigte, hergestellt aus Bronze und mit winzigen Edelsteinen geschmückt. An dünnen Silberfäden aufgehängte Sonnen und Planeten drehten sich darum.
    »Phantastisch!« wiederholte Zweiblum. An den Wänden hingen pechschwarze Tapisserien mit Sternbildern aus kleinen phosphoreszierenden Staubperlen. Wer sich in diesem Zimmer befand, gewann den Eindruck, im interstellaren Ozean zu schwimmen. Mehrere Staffeleien trugen Skizzen von Groß-A'Tuin, so wie sie (oder er) von verschiedenen Bereichen des Umzauns aus zu sehen war. Die Darstellungen enthielten jede mächtige Schuppe, jeden einzelnen Krater. Zweiblum

Weitere Kostenlose Bücher