Die Farben der Sehnsucht
noch immer wie gelähmt, wie betäubt gewesen und hatte ihre Hilfe dankbar angenommen. Während sie im Wartezimmer gesessen hatte, erinnerte Colette sich nun, hatte sie in einer Broschüre über Angebote für unterschiedliche Begräbnisfeiern geblättert, die man als „Paket“ buchen konnte. Nie im Leben hätte sie damals geglaubt, dass so etwas einmal Teil ihres Berufes sein könnte.
„Ich habe Mr. Olson versichert, dass ich – auch wenn ich neu in dem Metier bin – vorhabe, das Geschäft noch sehr lange zu führen und auszubauen. Joe hat mir bei der Vorbereitung auf das Gespräch geholfen. Er war so wunderbar.“
Colette bewunderte Susannahs Ehemann Joe und die Art, wie er seine Frau bei ihrem neuen Projekt unterstützte und ermutigte. Sie beneidete die beiden um ihre liebevolle Partnerschaft.
Und sie fragte sich, ob ihre eigene Ehe einmal diese Stufe der tief empfundenen, reifen Liebe erreicht hätte.
Die Vorstellung, dass Derek und sie es auch geschafft hätten, gefiel ihr.
Doch ihr Ehemann war tot – und Colette trug das Kind eines anderen Mannes unter ihrem Herzen.
Das Telefon klingelte und riss Colette aus ihren Gedanken. Sie nahm das Gespräch an. Als sie gerade die Bestellung aufschreiben wollte, ging die Eingangstür, und jemand betrat den Blumenladen. Susannah begab sich in den Verkaufsraum, um den Kunden zu bedienen.
Colette notierte den Auftrag – es war ein Blumenbouquet für eine junge Frau und ihren Mann, die gerade Eltern geworden waren. Die Blumen sollten noch am selben Nachmittag ins örtliche Krankenhaus geliefert werden. Weil sich ein eigener Lieferservice für Susannahs kleines Geschäft nicht lohnte, hatte sie einen Vertrag mit einem externen Zustellungsdienst abgeschlossen. Ein Fahrer kam einmal täglich im Laden vorbei und holte die Lieferungen ab. Arrangements zu gestalten, die für einen fröhlichen Anlass bestimmt waren – wie dieser Strauß –, machte Susannah und Colette am meisten Spaß. Trauerkränze und – gestecke waren zwar ein wichtiges Standbein des Geschäftes, doch Colette wusste aus eigener Erfahrung, dass kein noch so außergewöhnliches oder teures Blumenbouquet über den Verlust eines geliebten Familienmitgliedes hinwegtrösten konnte. In solchen Momenten verschenkte man die Blumen als Zeichen der Achtung vor dem Verstorbenen und um den Hinterbliebenen sein Mitgefühl auszudrücken.
Susannah kam in das Hinterzimmer zurück. „Da ist ein Mann, der mit dir sprechen möchte.“
„Ein Mann?“ Das konnte nur einer sein …
Susannah warf einen Blick auf die Visitenkarte in ihrer Hand. „Christian Dempsey. Ist das nicht auch der Mann, der letzte Woche angerufen und eine Nachricht für dich hinterlassen hat?“
Colette nickte knapp. Sie hatte Christian nicht zurückgerufen, was vielleicht ein Fehler gewesen war. Es war vollkommen abwegig gewesen, zu glauben, dass er sie nicht finden würde. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ihr Schweigen ihn nur dazu anspornte, ihr Auge in Auge gegenüberzutreten.
Colette straffte die Schultern, ging langsam in den Verkaufsraum und stellte sich hinter den Tresen. Sie würde sich anhören, was auch immer er zu sagen hatte, und einfach hoffen, dass die Geschichte damit beendet war.
Doch nichts hätte sie darauf vorbereiten können, welche Wirkung das Wiedersehen mit ihm auf sie hatte …
Nicht, dass er sich rein äußerlich verändert hätte. Christian sah noch immer so aus wie vor einem Monat. Als sie den Raum betrat, blickte er sie an.
„Mr. Dempsey“, grüßte sie förmlich, was vielleicht ein bisschen lächerlich klang – immerhin hatte sie nackt in seinen Armen gelegen. Doch diese Höflichkeit gab ihr die emotionale Distanz, die sie so dringend brauchte.
Er runzelte die Stirn. „In Anbetracht der … äh … der jüngsten Ereignisse wäre es durchaus angemessen, mich beim Vornamen zu nennen.“
Sie musterte ihn und war sich nicht sicher, ob er sich über sie lustig machte. Angemessen, wollte Colette sagen, wäre es, kein Wort mehr über ihr Treffen im Hotel zu verlieren… „Also gut. Christian.“
„Hast du meine Nachricht erhalten?“
„Ja. Das habe ich.“ Sie hatte nicht vor, ihm eine Erklärung für den ausgebliebenen Rückruf zu liefern.
Er kniff ganz leicht die Augen zusammen. Jeder andere hätte es wahrscheinlich nicht einmal bemerkt. Doch Colette entging es nicht. Nachdem sie fünf Jahre lang für ihn gearbeitet hatte, kannte sie die feinen Änderungen seines Mienenspiels, die seine
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