Die Farben der Zeit
plötzlich in mir auf wie ein Wordsworthscher Regenbogen. »Kann ich mir das aussuchen?«
»Wir haben’s hier mit Zeitreisen zu tun«, sagte Miss Warder. »Ich habe nicht den ganzen Tag…«
»Halb fünf«, erwiderte ich. Mit etwas Glück gab es einen Schlupfverlust von zwanzig Minuten, und das Fest war vorbei, wenn ich ankam.
»Halb fünf?« Miss Warder schaute alarmiert. »Wird Sie denn dann keiner vermißt haben?«
»Nein«, sagte ich. »Terence wird sich gefreut haben, daß er nicht wieder zum Ponyreiten zurück mußte.«
Miss Warder zuckte die Achseln und begann, die Koordinaten einzugeben. »Stellen Sie sich ins Netz«, befahl sie und drückte »SENDEN«.
Das Netz schimmerte, ich rückte meinen Strohhut und meine Krawatte zurecht und begab mich freudig zum Fest zurück. Der Himmel war immer noch bedeckt, deshalb konnte ich an der Sonne nicht sehen, wie spät es war, und meine Uhr ging falsch, aber es kam mir vor, als tummelten sich weniger Menschen auf dem Rasen als vorher. Es mußte mindestens halb vier sein. Ich ging zu dem Stand, wo der Basar stattfand, um Verity zu erzählen, daß ich nichts Neues erfahren hatte.
Sie war nicht da. Der Stand wurde von Rose und Iris Chattisbourne bewacht, die versuchten, mir ein silbernes Zuckerhämmerchen zu verkaufen.
»Sie ist im Teezelt«, sagten sie. Dort war sie aber nicht, bloß Cyril, der, entgegen jeglicher Vernunft, hoffte, daß jemandem ein Sandwich zu Boden fiel, und der aussah, als wartete er dort schon den ganzen Tag. Ich kaufte ihm ein Rosinenbrötchen, mir selbst ein Stück Marmorkuchen sowie eine Tasse Tee und trug dann beides zur Schatzsuche hinüber.
»Du warst aber nicht lange weg«, sagte Terence. »Ich sagte dir doch, du kannst dir Zeit lassen.«
»Wie spät ist es?« fragte ich mit einem flauen Gefühl im Magen. »Meine Uhr ist – stehengeblieben.«
»Fünf nach zwölf«, erwiderte Terence. »Du willst wohl nicht mal kurz das Ponyreiten übernehmen, oder?« setzte er hoffnungsvoll hinzu.
»Nein«, sagte ich.
Mit verdrießlichem Gesicht schlenderte er die Auffahrt hinunter. Ich trank meinen Tee, aß den Kuchen und dachte darüber nach, wie ungerecht das Schicksal war.
Es wurde ein sehr langer Nachmittag. Eglantine, die sich weitere fünf Penny von ihren Schwestern erbettelt hatte, verbrachte ihn damit, beharrlich neben den Sandfeldern zu kauern und sich eine Strategie auszudenken.
»Ich glaube nicht, daß überhaupt in irgendeinem der Felder der Hauptgewinn ist«, sagte sie, nachdem sie zwei Penny auf Feld zwei gesetzt hatte.
»Natürlich ist er das«, sagte ich. »Ich habe ihn selbst eingegraben, ob du’s glaubst oder nicht.«
»Ich glaube Ihnen«, erwiderte sie. »Reverend Arbitage hat Sie dabei beobachtet. Aber als niemand hier war, hat sich jemand herbeigeschlichen und den Preis gestohlen.«
»Es war die ganze Zeit über jemand hier.«
»Vielleicht als wir nicht hinsahen«, meinte sie. »Während wir uns unterhielten.«
Sie widmete sich wieder ihrer Strategie und ich mich meinem Marmorkuchen, der noch härter war wie der Marmorkuchen, den ich beim Kuchenverkauf nach der Andacht für die Royal Air Force gegessen hatte. Ich dachte über des Bischofs Vogeltränke nach.
Hatte sie jemand entwendet, als gerade keiner hinsah? Zwar hatte ich gesagt, daß niemand sie würde haben wollen, aber in Anbetracht dessen, was die Leute alles bei Wohltätigkeitsbasaren erstanden? Vielleicht hatte sie doch ein Plünderer aus den qualmenden Trümmern entwendet. Oder Verity hatte recht, und sie war vor dem Angriff aus der Kathedrale fortgebracht worden. Entweder war sie während des Angriffs in der Kathedrale gewesen oder nicht, dachte ich und betrachtete die Sandquadrate. Es gab nur diese beiden Möglichkeiten. Und deshalb mußte sie irgendwo sein. Aber wo? In Feld achtzehn? Oder fünfundzwanzig?
Um halb zwei erschien der Kurator und löste mich ab, damit ich »ordentlich zu Mittag« essen und mir das Fest anschauen könne. Das ordentliche Mittagessen bestand aus einem Sandwich mit Fischpastete, von dem ich Cyril die Hälfte abgab und einer weiteren Tasse Tee, nach der ich die Stände entlangschlenderte. Ich gewann beim Angelspiel einen roten Glasring, kaufte einen gesteppten Teewärmer, einen Duftball, der aus einer mit Gewürznelken gespickten Orange bestand, ein Porzellankrokodil und ein Glas Kalbsfußsülze. Ich erzählte Verity, daß ich weder das Datum noch Mr. C’s Identität herausgefunden hatte, und ging dann zur Schatzsuche zurück.
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