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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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hat«, erklärte Verity. »Nun, Mrs. Mering geht es ebenso mit allem, was mit Geistern und Seancen zu tun…«
    »Seance?« Wie ein buntschillernder Pfau tauchte Mrs. Mering neben uns auf. »Schlägst du eine Seance vor, Verity?«
    »Ja, Tante Malvinia.« Verity wickelte Kästchen und Deckel rasch ein, legte beides in den Weidenkorb, der wie ein Schwan aussah und reichte ihn mir.
    »Ich bin sicher, Ihre Einkäufe gefallen Ihnen, Mr. Henry«, sagte sie. Und dann zu Mrs. Mering gewandt: »Mr. Henry hat mir gerade erzählt, daß er noch nie einer Seance beigewohnt hat.«
    »Ist das wahr, Mr. Henry?« fragte Mrs. Mering. »Oh, dann müssen wir heute abend eine für Sie abhalten. Ich muß Reverend Arbitage fragen, ob er auch kommt. Mr. Arbitage!« rief sie und eilte davon.
    »Geben Sie mir das Kästchen«, flüsterte Verity.
    Ich drehte mich so, daß niemand unsere Hände sehen konnte und gab ihr das eingepackte Kästchen. »Wofür brauchen Sie das?«
    »Tischeklopfen«, flüsterte sie und steckte das Päckchen in ihre Tasche. »Heute nacht werden wir eine Nachricht von der Anderen Seite erhalten, daß wir nach Coventry gehen sollen.«
    »Sind Sie sicher, daß das klappt?«
    »Bei Madame Iritosky hat es auch geklappt«, sagte Verity. »Ebenso bei D. D. Home, den Schwestern Fox und Florence Cook. William Crookes und Arthur Conan Doyle haben sich davon täuschen lassen. Mrs. Mering hielt sogar Sie für einen Geist. Also wird es bei uns auch klappen. Was soll schiefgehen?«
    Mrs. Mering flatterte mit wehender Robe herbei. »Reverend Arbitage leitet gerade die Kuchentombola. Ich darf nicht vergessen, ihn nachher zu fragen. Oh, Mr. Henry!« Sie nahm meinen Arm. »Ich bin sicher, daß die Seance ein Erfolg werden wird. Ich fühle bereits die Anwesenheit der Geister, die in der Nähe warten.«
    In Wahrheit handelte es sich dabei aber um Baine, der gerade hinter ihr aufgetaucht war und auf eine Gelegenheit zum Sprechen wartete.
    »Vielleicht ist es der gleiche Geist, den Sie letzte Nacht hörten, Mr. Hen… was ist los, Baine?« fragte Mrs. Mering ungeduldig.
    »Madame Iritosky, Madam«, sagte Baine.
    »Ja und? Was ist mit ihr?«
    »Sie ist hier.«

»Hinein ins Tal des Todes…«
    »Der Angriff der Leichten Brigade«
Alfred Lord Tennyson
     
17. Kapitel
     
     
    In der Halle • Eine Aufforderung • Baine packt aus und macht eine interessante Entdeckung • In der Küche • Erstaunliche Anekdoten über Jones zweites Gesicht • Vorbereitungen für die Seance • Mein Mitgefühl für Napoleon • Juwelen • Das Duell der Medien • Eine geisterhafte Erscheinung
     
     
    Madame Iritosky wartete in der Halle und mit ihr neun Gepäckstücke, ein langes schwarz emailliertes Kabinett und Count de Vecchio.
    »Madame Iritosky!« sprudelte Mrs. Mering. »Welch freudige Überraschung! Count de Vecchio! Baine, holen Sie sofort den Colonel und sagen Sie ihm, daß wir Gäste haben! Wie wird er sich freuen! Sie kennen ja Miss Brown.« Sie wies auf Verity. »Und dies ist Mr. Henry.«
    Wir waren Mrs. Mering zum Haus gefolgt, wobei Verity murmelte: »Was will sie hier? Ich dachte, sie verließe niemals ihr Haus.«
    »Ischt mirr ein Verrrgnügen«, sagte Count de Vecchio mit einer Verbeugung in meine Richtung.
    »Warum haben Sie uns Ihr Kommen nicht angekündigt?« wollte Mrs. Mering wissen. »Baine hätte Sie doch am Bahnhof abgeholt.«
    »Ich wußte es selbst nicht«, erwiderte Madame Iritosky, »bis ich vergangene Nacht eine Botschaft von der Anderen Seite erhielt. Eine solche Aufforderung der Geister darf man nicht ignorieren.«
    Sie sah anders aus, als ich erwartet hatte, dicklich und untersetzt, mit einer Knopfnase, wirrem grauem Haar, in einem ziemlich fadenscheinigen braunen Kleid. Der Hut, den sie trug, war ebenfalls schäbig, und die Federn darauf sahen aus, als seien sie einem Hahn ausgerupft worden. Ich hätte angenommen, daß Mrs. Mering über eine solche Frau nur die Nase rümpfen würde, tatsächlich aber schmolz sie fast dahin.
    »Eine Botschaft von den Geistern!« Sie klatschte in die Hände. »Wie aufregend! Was sagten sie?«
    »›Geh!‹« Madame Iritoskys Stimme war dramatisch.
    »Avanti!« fiel Count de Vecchio ein und nickte bekräftigend. »Sie klopften eeess auf den Tiiisch. ›Geh!‹«
    »›Geh wohin?‹, fragte ich sie«, fuhr Madame Iritosky fort, »und wartete, daß es weiter klopfte. Aber es blieb alles still.«
    »Silencio«, sagte de Vecchio unterstützend.
    »›Geh wohin? ‹, fragte ich noch einmal. Und

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