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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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mit abgehacktem Oberteil, zum Ersatz für den fehlenden Suppenkessel in der Menschenkette, die Feuer konnten gelöscht werden, und die Inkonsequenz war beseitigt.«
    Er ging wieder zur Tastatur und tippte, was noch mehr Bildschirme zum Flimmern brachte. »Bei dieser Simulation hier, in der sich Gneisenau nach Liege zurückzieht und bei der hier, in der ein Historiker hilft, eine Kanone aus dem Schlamm zu ziehen, gibt es ebenfalls Selbstkorrekturen in der Vergangenheit.«
    »Deshalb also haben Sie Verity zum Mai springen lassen?« fragte ich. »Sie glauben, die Inkonsequenz sei schon beseitigt worden, noch ehe sie geschehen ist.«
    »Wir haben aber nirgendwo einen Schlupfverlust entdeckt, außer bei Ihrem Sprung«, erklärte er. Seine Stimme klang frustriert. »Bei all diesen Simulationen…« – eine Geste zu den Bildschirmen – »gleich, wie groß oder wie gering die Selbstkorrektur war, ergibt sich dasselbe Grundmuster: Ein sich rapide erhöhender Schlupfverlust direkt im Zentrum des Vorfalls, mäßig ansteigende im umliegenden Gebiet und nur noch vereinzelte, je weiter man sich vom Zentrum entfernt.«
    »Nichts davon trifft auf unsere Inkonsequenz zu.« Ich starrte auf die Bildschirme.
    »Nein, nichts. Bei Veritys Sprung betrug der Schlupfverlust neun Minuten, und nirgendwo im Umkreis habe ich eine rapide Erhöhung feststellen können. Der einzige weitere Schlupfverlust ergab sich im Jahre 2018, und dieser ist viel zu groß, wenn man bedenkt, wie weit dieser Punkt entfernt liegt.«
    Wieder ging er zum Computer und gab ein paar Zahlen ein. Dann kehrte er zum Bildschirm links zurück, dessen Flimmern sich leicht verändert hatte. »Die einzige Simulation, die unserer Situation ähnelt, ist diese hier. Wir ließen den Historiker ein Artilleriegeschoß abfeuern, das Wellington tötete.«
    Er suchte in seinen Taschen nach dem Pointer, fand ihn aber nicht und nahm statt dessen seinen Finger. »Sehen Sie das? Hier und hier erkennt man rapide ansteigende Verluste, aber sie umfassen sich verändernde Ereignisse und Diskrepanzen und zwar an diesen Punkten hier.« Er zeigte auf drei Stellen nahe dem Zentrum. »Hier hört der Schlupfverlust abrupt auf und hier…« – er deutete auf eine Stelle näher am Rand – »versagt das Backup, und das Netz hört auf zu arbeiten, während der Lauf der Geschichte sich verändert.«
    »Und Napoleon die Schlacht von Waterloo gewinnt.«
    »Genau«, sagte T. J. »Sie erkennen hier die Parallelen zu Ihrer Inkonsequenz.« Der Finger wies auf ein Gebiet dunkleren Graus. »Ein kleines Gebiet sich erhöhender Schlupfverluste, aber beinahe siebzig Jahre vom Originalschauplatz entfernt, und hier…« – der Finger zeigte auf eine Stelle helleren Graus – »das Fehlen jeglichen Verlustes in unmittelbarer Nähe.«
    »Aber direkt im Zentrum gibt es stets rapide ansteigende Verluste«, sagte ich.
    »Ja«, erwiderte T. J. grimmig. »Bei jeder Simulation, die wir probierten. Außer bei Ihrer.«
    »Zumindest haben Sie bewiesen, daß Inkonsequenzen möglich sind«, sagte ich. »Immerhin etwas, oder?«
    »Wieso?« fragte er verständnislos. »Das sind doch nur mathematische Simulationen.«
    »Ich weiß, aber Sie haben doch damit gezeigt, was passieren würde, wenn…«
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Was passieren würde, wenn wir tatsächlich einen Historiker nach Waterloo schickten, der eine Nachricht abfangen oder ein Pferd erschießen oder Befehle erteilen würde, ist, daß sich das Netz nicht mehr öffnen würde. Historiker probieren solche Sachen seit mehr als vierzig Jahren. Keinem gelang es jemals, näher als zwei Jahre und ein paar hundert Kilometer entfernt an Waterloo herankommen.« Ärgerlich schwenkte er seine Hand in Richtung Bildschirme. »Diese Simulationen beruhen alle auf einem Netz ohne Schutzvorrichtung.«
    Somit waren wir wieder da, wo wir begonnen hatten.
    »Könnte dieser Schutz durch irgend etwas bei Veritys Sprung außer Kraft gesetzt worden sein? Oder zum Versagen gebracht?«
    »Das war das erste, was wir nachprüften. Es gab keinerlei Hinweise darauf, daß es etwas anderes als ein ganz normaler Sprung gewesen ist.«
    Dunworthy kam mit besorgter Miene herein. »Tut mir leid, daß es so lang dauerte«, sagte er. »Ich war bei der Gerichtsmedizinerin, um zu sehen, ob sie mit dem Namen oder dem Datum weitergekommen ist.«
    »Und?« fragte ich.
    »Wo ist der Rekrut?« mischte sich Miss Warder erbost ein, noch ehe Dunworthy antworten konnte. »Er sollte doch wieder zu mir

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