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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Tür. »Sägemehl ist genau das, was sie zu sehen wünschen.«
    Baine kam mit einem Schirm herbeigeeilt, den er mir aushändigte. Ich gab ihn ihm zurück. »Holen Sie die Kutsche herbei«, sagte ich. »Und sagen Sie Mrs. Mering, daß wir die Kirche besichtigen können.«
    Was nur zeigte, daß das Zusammensein mit Lady Schrapnell und ihren Vorfahren einem einiges darüber lehrte, wie man die Dinge ins Laufen brachte.
    »Rasch! Beeilen Sie sich!« setzte ich hinzu, und Baine jagte durch das Nieseln, das unaufhaltsam in Regen umschlug.
    »Meines Erachtens ist momentan eine Besichtigung keinesfalls ratsam«, sagte der Kurator. »Die Handwerker installieren eine neue Chorbalustrade, und ich habe eine Besprechung mit unserer Miss Sharpe wegen des Standes mit den Galanteriewaren.«
    »Sie werden doch auch einen Basar haben, oder?«
    »Basar?« fragte er unschlüssig.
    »Das ist der allerletzte Schrei auf Kirchfesten. Ah, da sind sie ja.« Ich sprang die Stufen hinunter, als die Kutsche vorfuhr, packte Verity und zog sie an der Hand heraus. »Welch ein Glück! St. Michael ist doch geöffnet, und der Kurator hat sich freundlicherweise angeboten, uns zu führen. Rasch«, setzte ich flüsternd hinzu. »Bevor er es sich anders überlegt.«
    Verity trippelte leichtfüßig zu dem Kurator, schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und lugte durch die Tür. »Oh, Tossie, komm und schau dir das an!« rief sie und schwupps, war sie im Innern der Kirche. Terence half Tossie aus der Kutsche und in die Kirche und ich Mrs. Mering, über ihren Kopf den Schirm haltend, den Baine mir gegeben hatte.
    »O je«, sagte sie mit besorgtem Blick zum Himmel. »Das sieht ja fürchterlich aus. Vielleicht sollten wir nach Hause fahren, ehe das Unwetter losbricht.«
    »Einige der Handwerker sagten, sie hätten einen Geist gesehen«, unterbrach ich rasch. »Einer von ihnen wurde daraufhin sogar krank und mußte nach Hause.«
    »Wie wundervoll!« sagte sie, gerade als wir den Kurator erreichten, der händeringend in der Türöffnung stand. »Ich fürchte, St. Michael wird eine Riesenenttäuschung für Sie werden, Mrs. Mering«, sagte er. »Wir sind gerade dabei…«
    »…das jährliche Kirchfest vorzubereiten. Mrs. Mering, Sie müssen ihm unbedingt von Ihren Federhalterwischern erzählen«, sagte ich schamlos und manövrierte sie um ihn herum ins Innere der Kirche. »Die in Dahlienform. So zweckmäßig und außerdem noch hübsch.«
    Ein krachender Donnerschlag folgte meinen Worten, so laut, daß ich überzeugt war, wegen meiner Lügerei vom Blitz getroffen worden zu sein.
    »Meine Güte!« rief Mrs. Mering.
    »Ich fürchte, das ist wirklich eine ungünstige Zeit für eine Besichtung«, sagte der Kurator im selben Moment. »Unser Vikar ist abwesend, und Miss Sharpe…«
    Ich wollte gerade sagen: »Nur eine kurze Besichtigung, wo wir doch schon hier sind«, aber ich konnte es mir sparen. Ein weiterer krachender Donnerschlag erfolgte, und der Himmel öffnete seine Schleusen.
    Mrs. Mering und der Kurator traten einen Schritt zurück, in die Kirche hinein, fort von den niederprasselnden Regentropfen, und Baine, der stets Geistesgegenwärtige, trat vor und schloß die Tür hinter uns. »Es sieht so aus, als blieben wir eine kleine Weile hier, Madam«, sagte er, und ich konnte hören, wie Verity vor Erleichterung aufseufzte.
    »Na ja«, sagte der Kurator, »wenn Sie nun schon hier sind… Also, dies hier ist das Kirchenschiff. Wie Sie sehen, wird es gerade renoviert.« Er hatte mit dem Sägemehl und dem Durcheinander nicht übertrieben. Es sah beinahe so schlimm aus wie nach dem Luftangriff. Der Zugang zum Chor war mit hölzernen Zäunen versperrt. Die Kirchenbänke waren mit staubigen Planen abgedeckt. Bauholz stapelte sich vor dem Chorgewölbe, aus dem lautes Klopfen ertönte.
    »Wir modernisieren die Kirche«, erklärte der Kurator. »Die Verzierungen waren hoffnungslos altmodisch. Ich hatte gehofft, den Glockenturm durch ein modernes Glockenspiel ersetzen zu können, aber der Renovierungsausschuß wollte das nicht einmal in Erwägung ziehen. Völlig engstirnig. Wenigstens konnte ich sie überzeugen, die Emporen und viele der alten Gräber und Grabmäler entfernen zu lassen, welche die Seitenschiffe verstopften. Einige stammten noch aus dem fünfzehnten Jahrhundert.« Er verdrehte die Augen. »Verunstalteten die ganze Kirche.«
    Er lächelte Tossie glubschäugig an. »Würden Sie gern das Kirchenschiff besichtigen, Miss Mering? Dort haben wir jetzt überall

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