Die Farben der Zeit
gewußt.
»Um zwei Uhr acht, Madam«, sagte er. »Nach Reading. Und um zwei Uhr sechsundvierzig fährt ein Eilzug nach Goring.«
»Wir nehmen den um zwei Uhr acht«, entschied Mrs. Mering. »Goring ist so gewöhnlich.«
»Und was ist mit Lady Godiva?« fragte Verity verzweifelt. »Sie muß doch einen Grund gehabt haben, Sie nach Coventry kommen zu lassen, Tante Malvinia.«
»Unter den gegebenen Umständen bin ich keineswegs überzeugt, daß es wirklich ihr Geist gewesen ist«, sagte Mrs. Mering. »Ich glaube, Madame Iritosky hatte recht damit, daß da böswillige Geister am Werk waren. Baine, sagen Sie dem Kutscher, er soll uns zum Bahnhof fahren.«
»Moment!« rief ich und sprang aus der Kutsche, direkt in eine Pfütze hinein. »Ich bin gleich wieder da! Warten Sie hier!« und lief fort, die Kirchenmauer entlang.
»Wo, um alles in der Welt, rennt er hin?« hörte ich Mrs. Mering sagen. »Baine, gehen Sie und sagen Sie Mr. Henry, er soll unverzüglich zurückkommen.«
Ich sprintete um die Ecke der Kirche, den Mantelkragen gegen den Regen hochgestellt. Von meiner Suche in den Trümmern und von der Rekonstruktion der Kathedrale her wußte ich, daß es sowohl an der Südseite wie an der Nordseite der Kathedrale eine Tür gab, und falls nötig, würde ich solange an die Tür der Sakristei klopfen, bis jemand öffnete.
Doch das war nicht nötig. Die südliche Tür stand offen und in ihr, durch das Überdach vom Regen geschützt, ein Handwerker, der mit einem jungen Mann, der einen geistlichen Kragen trug, diskutierte.
»Sie haben versprochen, daß die Lichtgaden am zweiundzwanzigsten fertig seien, und heute ist der fünfzehnte, und Sie haben nicht einmal damit begonnen, die Bänke zu lackieren«, sagte der Kurator gerade, der blaß und ziemlich glotzäugig war, was aber auch von dem Gespräch mit dem Handwerker kommen konnte. Dieser zog ein Gesicht, als hätte er das alles schon mal gehört und würde es auch noch öfter zu hören bekommen. »Mer kunnit eher mit’m Lackiern anfang’n, Meister, als bis die Lichtgade fertig sin. Weng dem Staub.«
»Na gut, dann sehen Sie zu, daß Sie mit den Lichtgaden fertig werden.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Geht nit. Bill, der wo die Stahlpfeiler in die Holzposte setzt, is krank wor’n.«
»Und wann kommt er wieder? Es muß alles bis nächsten Samstag fertig sein, zu unserem Kirchfest.«
Der Handwerker hob die Schultern, genau wie der Elektriker, den ich drei Wochen zuvor mit Lady Schrapnell hatte sprechen hören, und ich bedauerte es, daß sie nicht hier war. Sie hätte ihn fest am Ohr gepackt, und die Arbeit wäre Freitag fertig gewesen. Oder Donnerstag.
»Morje oder aach nächst’ Woch. Wozu brauche mir überhaupt die neue Bänk’? Die aale ham mir gut gefalle.«
»Sie sind kein Mitglied der Geistlichkeit«, sagte der Kurator, noch ein paar Grade glotzäugiger werdend. »Und auch kein Experte in moderner Kirchenarchitektur. Nächste Woche reicht nicht. Die Renovierungsarbeiten müssen am zweiundzwanzigsten beendet sein.«
Der Handwerker spie auf die feuchte Stufe. Dann schlenderte er in die Kirche hinein.
»Entschuldigung«, sagte ich und hielt den Kurator auf, bevor er ebenfalls verschwinden konnte. »Ist es wohl möglich, die Kirche zu besichtigen?«
»Oh, nein!« Er blickte aufgescheucht wie eine Hausfrau, die von unangemeldeten Gästen überrascht wird, um sich. »Die Renovierungsarbeiten an den Lichtgaden und dem Glockenturm sind in vollstem Gange! Die Kirche ist offiziell bis zum einunddreißigsten Juli geschlossen. Dann wird unser Vikar sicher gern eine Führung für Sie veranstalten.«
»Das ist zu spät«, sagte ich. »Wo wir doch gerade die Renovierungsarbeiten sehen wollen! Die Kirche von Muchings End muß nämlich auch dringend renoviert werden. Der Altar ist absolut mittelalterlich.«
»Äh… aber…« Er zögerte. »Wir stecken außerdem gerade mitten in den Vorbereitungen für ein Fest und wir…«
»Ein Fest!« rief ich. »Was für ein wunderbarer Zufall! Mrs. Mering richtete gerade auch ein Kirchfest in Muchings End aus!«
»Mrs. Mering?« Der Kurator schaute zur Tür zurück, als wolle er durch sie entfliehen. »Ich fürchte, in dem Zustand, in dem sich die Kirche gerade befindet, sollte sie von Damen nicht betreten werden. Man kann ja nicht einmal den Altar oder den Chorraum erkennen. Überall nur Sägemehl und Werkzeuge!«
»Das wird die Damen nicht stören«, versicherte ich und schob mich entschlossen zwischen ihn und die
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