Die Farben der Zeit
elektrisches Licht anbringen lassen.«
Verity trat neben mich. »Versuchen Sie seinen Namen herauszufinden«, flüsterte sie.
»Wenn die geplanten Renovierungen alle beendet sind«, sagte der Kurator, »werden wir eine völlig modernisierte Kirche haben, die Hunderte von Jahren überdauert.«
»Zweiundfünfzig«, murmelte ich.
»Wie bitte?«
»Nichts«, sagte ich. »Modernisieren Sie auch den Turm?«
»Ja. Er und der Spitzturm werden völlig neu gedeckt. Vorsicht, meine Damen! Hier ist es uneben.« Er bot Tossie seinen Arm.
Mrs. Mering nahm ihn. »Wo ist Ihre Krypta?« fragte sie.
»Die Krypta? Dort drüben.« Er zeigte in Richtung des Zauns. »Aber sie ist noch nicht renoviert.«
»Glauben Sie ans Jenseits?«
»Ich… natürlich«, erwiderte er verdutzt. »Ich gehöre dem geistlichen Stand an.« Wieder ein glubschäugiges Lächeln zu Tossie. »Augenblicklich bin ich natürlich erst Hilfsgeistlicher, aber ich hoffe, nächstes Jahr eine eigene Pfarrei in Sussex zu bekommen.«
»Kennen Sie Arthur Conan Doyle?« wollte Mrs. Mering wissen.
»Ich… ja.« Sein Gesicht wurde noch verdutzter. »Das heißt, ich habe Studie in Scharlachrot gelesen. Eine spannende Geschichte.«
»Haben Sie seine Schriften über Spiritismus nicht gelesen? Baine!« rief sie dem Butler zu, der gerade die Schirme ordentlich neben die Tür stellte. »Holen Sie die Ausgabe des Lichts, in der Arthur Conan Doyles Brief abgedruckt ist.«
Baine nickte, öffnete die schwere Tür und verschwand, im Davoneilen den Kragen hochstellend, in der Sintflut.
Mrs. Mering wandte sich erneut dem Kurator zu. »Sie haben doch sicher schon von Madame Iritosky gehört?« fragte sie, wobei sie ihn unaufhaltsam in Richtung Krypta lenkte.
Der Kurator blickte verwirrt. »Hat sie etwas mit Basaren zu tun?«
»Sie hatte recht. Ich fühle die Anwesenheit der Geister hier«, sagte Mrs. Mering. »Wissen Sie von Geistern hier in St. Michael?«
»Nun, es gibt eine Legende, daß ein Geist im Kirchturm gesehen worden sei. Sie geht ins fünfzehnte Jahrhundert zurück, soweit ich weiß«, erwiderte er, und dann verschwanden sie beide hinter dem hölzernen Zaun auf die andere Seite.
Tossie schaute ihnen unschlüssig nach, überlegend, ob sie folgen sollte.
»Sieh dir das mal an, Tossie«, sagte Terence, der vor einer Grabplatte aus Messing stand. »Das Grabmal eines gewissen Gervase Scrope. Sieh mal, was da steht: ›Wurd’ hin und her geschmettert Jahr um Jahr, ein abgedroschner Tennisball, mehr war ich nicht, ich armer Wicht.‹«
Gehorsam ging Tossie hin und las es, dann schaute sie auf die kleine Messingplatte der Botoners, die die Kirche erbaut hatten.
»Wie putzig!« sagte sie. »Und schau mal hier: ›Den Turm bauten William und Adam, die Spitze drauf Mary und Ann; William und Adam das Gewölbe, Mary und Ann den Chor in demselben.‹«
Sie wandte sich einem großen marmornen Grabmal zu, das Dame Mary Bridgeman und Mrs. Eliza Samwell gehörte, und dann einem Ölgemälde des Gleichnisses vom verlorengegangenen Schaf, und so bewegten wir uns durch das Kirchenschiff, stiegen über Säcke voll Sand und über Bohlen und hielten an jedem Seitenschiff.
»Oh, hätten wir doch einen Reiseführer dabei«, sagte Tossie stirnrunzelnd. Ihr Blick hing an dem Purbeckschen marmornen Taufstein. »Woher soll man sonst wissen, was man grade ansieht?«
Sie ging mit Terence zusammen weiter zur Capperschen Kapelle. Verity blieb stehen und zupfte leicht an meinen Rockschößen, um mich zurückzuhalten. »Lassen Sie sie vorgehen«, murmelte sie.
Folgsam blieb ich vor einem Messingrelief aus dem Jahre 1609 stehen, das eine Frau in jakobinischer Kleidung zeigte und in das eingraviert stand: »Zur Erinnerung an Ann Sewell. Sie widmete ihr Leben der Aufgabe, in anderen sämtliche heiligen Tugenden zu erwecken.«
»Wahrscheinlich eine Vorfahrin von Lady Schrapnell«, sagte Verity. »Haben Sie herausgefunden, wie der Kurator heißt?«
Wann hätte ich die Gelegenheit dazu haben sollen? dachte ich. »Meinen Sie, er ist Mr. C?« fragte ich. »Er ist völlig hingerissen von ihr.«
»Jeder Mann ist von ihr hingerissen«, erwiderte Verity mit einem Blick auf Tossie, die kichernd an Terences Arm hing. »Man fragt sich nur, ist sie auch von ihm hingerissen? Haben Sie des Bischofs Vogeltränke gesehen?«
»Noch nicht.« Ich blickte mich im Kirchenschiff um. Die Blumen vor dem Zaun, hinter dem sich der Chor verbarg, steckten in schmucklosen Messingvasen und die mit Sägemehl bedeckten
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