Die Farben des Chaos
Saal aufgebaut und ihren Einwand vorgetragen. Sie war eine der Vielen, die Cerryl nicht kannte.
»Wir reden jetzt nicht über militärische Maßnahmen«, erklärte Jeslek, der neben Kinowin stand, freundlich. »Aber seid Ihr es nicht auch müde, dass unser Gold nach Recluce fließt, so dass die Schwarzen es dazu verwenden können, Waren aus Nordla und Hamor einzukaufen?«
»Die Gewürze und Weine sind besser und billiger«, grollte eine dunkle Stimme aus der letzten Reihe.
»Ihre Tischlerarbeiten sind es teilweise auch«, ergänzte eine andere Stimme.
»Und die Wolle …«
»Wollt ihr die wirklich tragen, Myral?«
Unvermittelt schritt der weißhaarige Jeslek, aus dessen Augen kleine Sonnen zu strahlen schienen, einen Schritt nach vorn. »Ruhe!« Er sah sich wütend im Saal um, Chaos wallte neben ihm auf.
Ein kleines Lächeln spielte um Sterols Lippen, als er seitlich vom Podest herunterstieg und auf der anderen Seite des Saales hinter den Säulen entlangging.
»Kinowin sagt nichts weiter«, fuhr Jeslek laut fort, »als dass viel zu viele Bauern in Candar hungern müssen und keine Steuern mehr zahlen werden, wenn wir zulassen, dass die Leute billigere Waren von den Händlern aus Recluce kaufen. Wenn es so weit kommt, werden wir früher oder später Mühe haben, die Gilde zu finanzieren und die Hauptstraßen zu unterhalten.«
»Also gut … was schlagt Ihr vor, Jeslek?«
»Nichts Weltbewegendes. Nur einen dreißigprozentigen Zoll auf alle Waren aus Recluce.«
»Dreißig Prozent? Dann würde ich lieber das rote Gebräu aus Kyphros trinken«, rumpelte der Bass.
»Genau das meinte ich.«
»Das wird die Zahl der Schmuggler erhöhen.«
»Wir werden einen Teil des Geldes dazu verwenden, eine Flotte aufzubauen, mit der wir genau dies verhindern können.«
»Und der Rest? Wird der in Eure Taschen wandern, Jeslek?«
»Schwerlich. Die Entscheidung liegt beim Rat, aber ich würde vorschlagen, dass wir es aufteilen und einerseits die Bezüge der Ratsmitglieder anheben, zweitens den Hauptplatz erneuern lassen und drittens den Straßenbau fördern. Möchte sich jemand dazu äußern?«
»Wird das nicht dazu führen, dass noch mehr Gold in Spidlar landet?«
»Was ist mit Sarronnyn?«
»Südwind wird es gefallen …«
Cerryl sah noch einmal rote Haare aufleuchten, als Anya ihren Platz verließ und durch die Säulen huschte, um Sterol zu folgen. Er runzelte die Stirn, als die beiden Magier in einem Bogengang verschwanden, offenbar zum Vorraum unterwegs. Anya und der Erzmagier – nein, das gefiel ihm ganz und gar nicht. Leyladin hatte eine Bemerkung gemacht, dass Anya zugegen gewesen war, als Sterol ihr gesagt hatte, dass sie nach Lydiar gehen musste. War Anya denn überall dabei?
»Einen Augenblick«, forderte Kinowin. »Einen Augenblick. Ich weiß, dass der ehrenwerte Jeslek es gut meint, aber ich würde doch meinen, dass es im Augenblick unklug wäre, die Bezüge der Ratsmitglieder anzuheben. Die meisten Händler würden daraus sofort schließen, dass wir uns den Aufschlag selbst in die Tasche stecken wollen, und das würde nur für Unruhe sorgen.«
Der schwer gebaute Myral stand auf und sah sich im Saal um, bis das Gemurmel abgeebbt war.
Lyasa schob sich neben Cerryl. »Willst du dich nicht setzen?«
»Ich kann von hier aus besser verfolgen, was da vor sich geht.«
»Was ist denn überhaupt im Gange? Abgesehen von der Diskussion über die Steuern auf die Waren aus Recluce?« Die dunkelhaarige Magierin mit den olivbraunen Augen zog eine pechschwarze Augenbraue hoch.
»Erheblich mehr, als man an der Oberfläche erkennt«, antwortete er leise. »Aber ich weiß noch nicht, was dahintersteckt.«
»So ist es doch immer«, stimmte Lyasa zu.
Die beiden schwiegen, bis Myral das Wort ergriff.
Schließlich hustete der ältere Magier einmal, zweimal und räusperte sich. »Ich bin einige Jahre älter als die meisten von Euch.« Myral wartete, bis das Kichern abgeklungen war. »Und da ich älter bin, hatte ich mehr Zeit, in den Archiven und den alten Aufzeichnungen zu stöbern. Worüber wir heute hier reden, steht mehr oder weniger alle paar Jahrzehnte zur Diskussion. Aber warum ist das so?« Myral zuckte mit den Achseln. »Ich kann es nicht sagen, außer vielleicht, dass jede neue Generation von Herrschern in Candar erneut den Preis kennen lernen muss, den man zu zahlen hat, wenn man Frieden und einen florierenden Handel haben will. Wie der Obermagier Kinowin schon gesagt und wie der ehrenwerte Jeslek bestätigt hat,
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