Die Farben des Chaos
ist eine Sondersteuer nicht die beste Lösung. Eigentlich sollte so etwas überhaupt nicht nötig sein, aber es ist nötig, weil andere Länder, besonders Spidlar, nicht bereit sind, ihren Beitrag für die Straßen zu leisten und die Ordnung zu unterstützen, die Candar zusammenhält. Eine dauerhafte Lösung wäre es natürlich, Spidlar einfach in Besitz zu nehmen, wie wir es vor vielen Jahrhunderten mit Montgren getan haben.« Wieder zuckte er mit den Achseln. »Leider liegen zwischen unserem Land und Spidlar zwei andere Länder.«
Als Myral sich übertrieben traurig im Saal umsah, erhob sich Gelächter im Saal.
»Für den Augenblick würde ich also sagen, dass es keine so schlechte Idee ist, den Aufschlag zu erheben. Dann … dann werden wir sehen, wer sich besonnen verhält und auf die Zukunft und das Wohl Candars schaut und wer sich rücksichtslos die Taschen mit Gold füllt, ganz egal, welchen Preis die Kinder später dafür zahlen müssen.« Myral verneigte sich elegant und setzte sich wieder.
Cerryl bemerkte eine Bewegung. Sterol kam wieder herein, ging an den Säulen am südlichen Ende der Halle vorbei, blieb neben dem Podest stehen und beobachtete Jeslek.
Auch Anya tauchte wieder an ihrem Tisch auf und wandte sich mit entschuldigendem Lächeln an Fydel und dann an Faltar.
»Auf ihre heimtückische Art ist sie wirklich gut«, murmelte Lyasa. »Und du hast dir einen guten Aussichtspunkt ausgesucht.«
Cerryl nickte und dachte über Myrals Worte nach -Worte, die gut geklungen hatten. Aber irgendwie hatte ihn das, was der ältere Magier gesagt hatte, auch aufgeschreckt, als stecke etwas Unwahres darin.
Bei der Dunkelheit, er wünschte, er verstünde mehr.
X
W ährend er sich im Dunkeln durch einen Wald kämpfte, litt Cerryl unter der großen Hitze. Es war kein Wald, wie er ihn kannte. Die Bäume waren höher als der Turm der Magier, aber er konnte sie nur spüren, nicht sehen. Er holte tief Luft, dann noch einmal. Seine Lungen hatten Mühe, die klebrige, von einem schweren, süßlichen Geruch durchdrungene Luft aufzunehmen.
Eine lange Ranke schwang an seiner Schulter vorbei und berührte die nackte Haut seines Oberarms. Sie wurde hölzern wie eine Liane und ließ kleine Wurzeln wachsen, um sich an ihn zu klammern, als wäre er selbst einer der großen Bäume des seltsamen Waldes. Der eigenartig klebrige Duft wurde stärker … bis er kaum noch atmen konnte und sein Herz schwer in der Brust hämmerte.
Cerryl fuhr in seinem Bett hoch. Schweiß lief in Strömen über sein Gesicht, als stünde er in praller Sommersonne auf seinem Wachposten. Oder als befinde er sich direkt neben einem Kochfeuer …
Die Chaos-Sicherungen flackerten unbeschädigt in der versperrten Zimmertür. Er schützte sich stets auf diese Weise, wenn er schlief; oder besser, seit er nach Abschluss seiner Lehrzeit dazu fähig war. Er huschte zur Tür und dehnte die Sinne aus. Ohne sich besonders anzustrengen, konnte er das weiße Glühen des abgeschirmten Chaos wahrnehmen; er spürte die Schritte hinter dem Lichtschild, er fing einen Hauch Sandelholz auf.
Anya … unterwegs zu Faltars Zimmer.
Cerryl zwang sich, ruhig und tief durchzuatmen, als er wieder ins Bett stieg und einen Augenblick lang sitzen blieb. Plötzlich schauderte er. Dann legte er sich wieder unter die rote Wolldecke und rieb sich mit den Fingerspitzen der rechten Hand die pochende Stirn.
»… nur ein Traum …« Aber nicht alles war ein Traum gewesen. Vom Wald und den besitzergreifenden Ranken hatte er geträumt, doch Anya war tatsächlich an seiner Tür vorbeigekommen, um Faltar aufzusuchen. Er hatte ihre Chaos-Aura schon früher gespürt – jedes Mal, wenn sie Faltar besucht hatte, als er und Cerryl noch in der Ausbildung gewesen waren. Inzwischen war Faltar ein zwar junger, aber voll zugelassener Magier, und nichts konnte die beiden daran hindern, miteinander zu schlafen. Dennoch kam Anya verstohlen zu Faltar geschlichen. Das bedeutete, dass sie es verheimlichen wollte. Hatte sie Angst vor Sterols Eifersucht? Cerryl schüttelte nachdenklich den Kopf.
Lyasa hatte Anya und Jeslek erwähnt – mit wie vielen Magiern ging Anya eigentlich ins Bett? Cerryl runzelte die Stirn, als ihm Benthanns Worte einfielen. Sie war die Geliebte des Schreibers Tellis gewesen. Was hatte sie noch gleich gesagt? Etwas wie …
»Sex ist die einzige Macht, die eine Frau in Fairhaven besitzt. Vergiss das nicht. Selbst wenn sie ein Haus voller Münzen ihr Eigen nennt oder – das
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