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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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die jedoch eher eine Feuerlanze war, um nur den Stab und nicht die Frau zu treffen.
    Ein Zischen ertönte und das Ende des Stocks ging in Flammen auf. Weiße Ascheflocken tanzten über die Steine.
    Die Alte hielt jetzt ein brennendes Stück Holz in der Hand, das kaum länger war als ein Schlagstock. Sie ließ es vor dem Wachhäuschen aufs Pflaster fallen.
    »Die Dunkelheit und die Schwarzen Engel sollen Euch holen!« Die Frau griff zu ihrem Gürtel und zückte ein dunkles Eisenmesser, mit dem sie sich auf Gyral stürzen wollte.
    Eine weitere Feuerkugel hüllte die Frau ein, und als das Feuer erlosch, war dort, wo die Alte gestanden hatte, nur noch ein schmieriger Fleck unter einem weißen Aschehaufen zu sehen.
    »Die dumme Alte … der Magier hat wirklich versucht, ihr einen Ausweg zu lassen.«
    »Denen darfst du nicht entgegenkommen … nicht, wenn du lange leben willst.«
    Cerryl lehnte sich an die Brustwehr. Ihm war ein wenig übel. Dann richtete er sich wieder auf. »Schirrt den Esel ab und stellt ihn in den Stall. Ladet die Körbe ab, vielleicht kann man sie irgendwie noch gebrauchen.«
    Als nur noch der leere Karren vor dem Wachhäuschen stand, schoss Cerryl eine letzte Feuerkugel ab, und auch dieses Mal blieb nichts als Asche zurück. Asche und ein paar Eisenteile, die von einem Häftlingskommando weggeräumt wurden. Danach lag die Straße wieder leer in der heißen Nachmittagssonne und Cerryl ließ sich im Schatten auf seinen Stuhl sinken.
    Er schüttelte den Kopf. Selbst wenn man sich bemühte, den Leuten die Regeln zu erklären, gab es einige, die einfach nicht hören wollten. Die Wegezölle waren doch wirklich keine neue Einrichtung. Es gab sie schon seit Creslins Zeiten. Aber immer noch lehnten sich Leute dagegen auf und weigerten sich, die Gesetze zu beachten, solange man keine Machtmittel gegen sie einsetzte. Und es gab Leute wie die alte Frau, die sich die Dinge zurechtlegten, wie es ihnen gefiel, um sofort anzugreifen, wenn man ihnen deutlich machte, dass ihre Vorgehensweise nicht zulässig war.
    Er hatte keine Wahl gehabt. Auch für ihn waren die Regeln unumstößlich. Jeder, der einen Torwächter angriff, musste sterben. Hatte er es schlimmer gemacht, als er sie zu warnen versucht hatte? Als er ihr hatte sagen lassen, dass sie eine Plakette brauchte? Wäre es so oder so darauf hinausgelaufen, dass sie sterben musste?
    Er wischte sich wieder über die Stirn und starrte mehr oder weniger in Richtung der Sonne, die am grünblauen Himmel loderte. Es würde noch lange dauern, bis sie unterging. Viel zu lange.

 
XII
     
    K inowin hatte einen neuen Wandbehang: blaue und purpurne Diamanten, durchbohrt von schwarzen Pfeilen, die allerdings eher nach Armbrustbolzen aussahen. Das flackernde Licht der beiden Wandlampen ließ Kinowins und Cerryls Schatten auf dem Wandbehang tanzen.
    Sind wir so vergänglich wie diese Schatten?, dachte Cerryl.
    Der Obermagier bemerkte den Blick. »Gefällt er Euch?«
    »Die Farben sind … sie sind sehr kräftig.«
    »Es ist ein analerianisches Stück. Jeslek hat es mir zusammen mit seiner letzten Nachricht an den Rat geschickt. Er weiß, dass ich diese Tücher liebe … und dass ich es hasse, ihm zu Dank verpflichtet zu sein.« Der große blonde Magier nahm einen Schluck aus dem riesigen Becher, der neben dem Spähglas stand. »Ah … es ist dieses Jahr viel zu früh heiß geworden.«
    »Wird er eines Tages Erzmagier sein?« Cerryl hatte keine Zweifel daran, aber er wollte wissen, wie Kinowin auf die Frage reagierte, und er glaubte, nur unbefangen fragen zu können, solange er noch als jung und unerfahren galt.
    Kinowin schnaubte. »Darüber entscheidet die gesamte Gilde.«
    Cerryl hatte allerdings den Eindruck, dass die Gilde stets den mächtigsten Magier wählte.
    »Oder seid Ihr anderer Ansicht, junger Cerryl?«
    »Ich weiß nicht genug, um zustimmen oder widersprechen zu können, Ser.«
    »Ihr wählt Eure Worte mit Bedacht.« Der Obermagier kratzte sein glatt rasiertes Kinn. »Die Gilde hält meist den stärksten Magier für denjenigen, der am besten für das Amt geeignet ist.«
    Cerryl hatte schon früh begriffen, dass die Gilde einen Magier, der sehr stark war, nicht einfach abweisen konnte. Da Jeslek stark genug war, um kleine Berge wachsen zu lassen, würde er früher oder später Erzmagier werden.
    Kinowin hob seinen Becher und sah den jüngeren Magier scharf an. »Cerryl, Ihr seid jetzt seit fast zwei Jahreszeiten zum Dienst am Stadttor eingeteilt. Ihr werdet bald

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