Die Farm am Eukalyptushain
Nach langem Üben konnte sie inzwischen auch dem alten Klavier, das auf den hintersten Wagen geschnallt war, ein paar anständige Töne entlocken. Aber am liebsten sang sie zu den Schallplatten, die sie auf dem alten Aufziehgrammophon abspielte; zwar stammten die meisten Lieder aus Opern und wurden in fremden Sprachen gesungen, aber Mam hatte ihr viel von den Geschichten erzählt, die sich dahinter verbargen, und so verstand Catriona die Leidenschaft, die darin glühte. Sie hatte den brennenden Ehrgeiz, in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und einmal als Sopransängerin die Hauptrolle auf der Bühne zu spielen.
Ihre Gedanken schweiften umher, und sie gähnte, während der Wagen sie rumpelnd und schwankend weiter ins Hinterland trug. Sie hatte in der vergangenen Nacht nicht viel geschlafen;ein hitziger Disput über die Frage, ob man die Pferdefuhrwerke nicht durch motorgetriebene Lastwagen ersetzen sollte, hatte sie wach gehalten. Man schrieb das Jahr 1931, und auch wenn die Zeiten wegen der Weltwirtschaftskrise schwerer denn je waren, erschien die Truppe allmählich rückständig, und nach Ansicht ihres Vaters gerieten sie in Gefahr, für einfache Zirkusleute gehalten zu werden – für eine ganz andere Klasse von Unterhaltungskünstlern also.
Der Streit hatte bis tief in die Nacht hinein am Lagerfeuer getobt, und Catriona, zusammengerollt unter ihren Decken hinten im Wagen, fand die Argumente beider Seiten einleuchtend. Mit Lastwagen würden sie schneller vorankommen, aber die wären auch teurer als Pferde. Die althergebrachte Art hatte zwar ihren Charme, die Unbequemlichkeiten, die sie jetzt ertragen mussten, würden jedoch weiterhin bestehen, denn sie würden sich auch in Zukunft nicht leisten können, woanders zu schlafen als in ihren Zelten.
In einer so eng verwobenen Gemeinschaft gab es wenige Geheimnisse, und Catriona wusste, dass die Einnahmen sanken, das Programm schal wurde und die Truppe von Woche zu Woche weiter zu schrumpfen drohte, weil immer wieder ein Künstler ausschied, um sein Glück woanders zu versuchen. Es wurde immer schwieriger, auch nur den kleinsten Saal zu füllen, denn die Leute hatten einfach kein Geld mehr für diese Art von Unterhaltung. Auch so machte sich die Wirtschaftskrise bemerkbar.
Ein Ruck ging durch den Wagen und riss Catriona zurück in die Gegenwart. Sie sah sich um und hoffte einen letzten Blick auf das magische Tal werfen zu können. Aber es war hinter den Bäumen und dem felsigen Hang verschwunden, und so blieben ihr nur die lebenssprühenden Bilder im Kopf, um den Traum vom Zurückkehren lebendig zu halten.
Am folgenden Nachmittag erreichten sie Lightning Ridge, wo sie ihr Lager auf einer Lichtung aufschlugen. Hier gab es keinTheater, deshalb würde die morgige Vorstellung im Freien stattfinden. Aber sie rechneten nicht damit, dass sie besonders einträglich sein würde, denn unterwegs hatten sie erfahren, dass die Opalschürfer arme Leute waren, die den Druck der Krise genauso spürten wie alle anderen.
Lightning Ridge war eine isolierte Siedlung aus behelfsmäßigen Behausungen, zusammengezimmert aus Segeltuchplanen, alten Petroleumkanistern und anderem Material, das sich hier zusammensuchen ließ. Maultiere, Pferde und seltsam zusammengewürfelte Wagen umgaben jeden der tiefen Schächte der Opalsucher. Überall sah man Müllhaufen, und das Kreischen rostiger Räder und Winden, die Erde und Quarz aus dem Boden förderten, erfüllte die ganze Umgebung. Es war eine Männerwelt voller Hoffnungen und zerplatzter Träume – eine Welt der misstrauischen Blicke und mürrischer Gesichter, die schweigend beobachteten, wie die Truppe sich in einigem Abstand vom Abbaugebiet niederließ.
Catriona half bei den Pferden, ehe sie sich daranmachte, die Kostüme auszupacken und die neueste Gesangs- und Tanznummer zu proben, die Poppy sich für sie ausgedacht hatte. Ein seltsamer Ort, dieses Lightning Ridge, dachte sie, während sie die vertrauten Schritte absolvierte und sich um Konzentration bemühte. Es roch auch komisch hier, aber Dad hatte gesagt, das komme von den Schwefeltümpeln, die so grün und geheimnisvoll zwischen den Eisenerzfelsen schillerten. Wasserläufe gab es hier nicht, keinen Billabong und keinen Bach, nur Gestrüpp und nacktes Felsgestein mit harten Grasbüscheln, die in Spalten und Ritzen ihr Leben fristeten. Aber wenn sie an Poppy vorbei über das Tal hinausschaute, sah Catriona leeres Grasland, das sich meilenweit erstreckte, und Blumen, die das
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