Die Farm am Eukalyptushain
ein bisschen, und sie bemühte sich, ihre Schreie zu dämpfen, damit sie die Vorstellung nicht störte. Ich werde es schaffen, sagte sie sich immer wieder. Ich werde es ohne ihn schaffen.
»Wo bleibt der Arzt?«, keuchte sie und umklammerte Poppys Hand.
»Immer noch auf dem Land unterwegs.« Poppys sonst so fröhliches Gesicht war ernst und besorgt. »Bloß gut, dass ich meiner Mum bei all ihren Bälgern geholfen hab. Jetzt weiß ich, was man tun muss. Na los, Velda! Sag mir, wenn du für das Finale bereit bist, und wir werden diesen kleinen Scheißer im Handumdrehen auf die Welt bringen.«
Velda sammelte die letzten Kräfte, und mit einem machtvollen Aufbäumen fühlte sie, wie das Kind aus ihr hinausglitt. Sie sank auf ihr Lager zurück und hatte nur einen einzigen Gedanken. »Atmet es?«, fragte sie, als Poppy die Nabelschnur durchschnitt und rasch in ein Handtuch hüllte.
Wie zur Antwort stieß das Baby einen kraftvollen Schrei aus, fuchtelte mit den Fäusten und strampelte mit den pummeligen Beinchen, erbost über die grobe Störung. Der Protest verstummte nicht, als Poppy das Kind wusch und abtrocknete.
Heiße Tränen brannten auf Veldas Wangen, als sie die Arme nach dem Kind ausstreckte. Angst und Schmerzen waren vergessen; sie hielt das zappelnde, protestierende kleine Wesen im Arm, und eine Woge von unbeschreiblichen Empfindungen durchströmte sie, als sie es betrachtete.
Polternde Schritte im Gang kündigten Declans Ankunft an. »Ich habe ein Baby schreien gehört.« Er fiel auf die Knie und schlang die Arme um seine Frau und sein Kind. »Liebste, warum hast du es mir nicht gesagt?«
»Damit ich die Vorstellung störe?« Sie lachte. »Niemals – wir haben eine Tradition zu wahren, weißt du das nicht?«
Declan nahm ihr sanft das Baby ab. »Dann soll die Tradition aber auch angemessen gewahrt werden.« Tränen funkelten in seinen Augen und liefen ihm über die Wangen.
Velda wusste, was er vorhatte, und rappelte sich mühsam hoch. Sie wehrte den Protest der Mädchen ab, nahm seinen Arm und stützte sich schwer auf ihn. Zusammen kehrten sie in die Kulissen zurück. Sie nickte ihm aufmunternd zu, lehnte sich an die massive alte Wand des Theatersaals und sah zu, wie Declan auf die Bühne hinaustrat. Es gibt keinen Zweifel, dachte sie: Ich gehöre zu diesem Mann – und jetzt sind wir vollständig.
»Ladys und Gentlemen«, dröhnte Declan im Schein des Rampenlichts und hielt das eingewickelte Baby in die Höhe, um es dem Publikum zu zeigen. »Ich präsentiere Ihnen Catriona Summers, den neuen Star von Summers’ Music Hall.«
ZWEI
K itty! Wirst du dich jetzt beeilen, Kind? Wir brechen auf.« Catriona fuhr aus ihrem Tagtraum auf und sah ihre Mutter blinzelnd an. Sie war so tief in die Schönheit der Umgebung versunken gewesen, dass sie nichts anderes wahrgenommen hatte. »Müssen wir denn weg, Mam?«, fragte sie. »Es gefällt mir hier.«
Velda Summers umarmte sie kurz. Schlanke Arme und ein blumiger Parfümduft umhüllten sie. »Ich weiß, acushla , aber wir müssen weiter.« Sie hielt Catriona mit ausgestreckten Armen von sich und lächelte. »Wir werden wieder herkommen, Kitty. Aber du weißt doch, wie es ist.«
Catriona seufzte. Sie war während der Vorstellung in der staubigen Garderobe eines ländlichen Theaters zur Welt gekommen. Ihre Wiege war ein Kostümkorb gewesen, ihr Zuhause ein bunt verzierter Pferdewagen, und ihr Leben – zehn lange Jahre – hatte sie auf den Lehmpisten verbracht, die sich kreuz und quer durch die Weiten des australischen Outback zogen.
Eine neue Stadt bedeutete eine neue Vorstellung – ein endloser Kreislauf des Reisens, des Einstudierens, der Kostümproben –, und für die Städter war sie eine Außenseiterin, eine Zigeunerin. Ihre Freunde waren die Männer und Frauen der Truppe, und ihre Schulausbildung besorgte ihr Dad, der sie viele Seiten Shakespeare auswendig lernen ließ, in der Erwartung, dass sie diese einmal auf der Bühne vortragen würde, sowie sie alt genug war.
Von Geburt an war sie vertraut mit dem Geruch von Fettschminke, Schweiß und mit dem fahrenden Leben, aber hin und wieder sehnte sie sich nach Frieden und Ruhe und der Gelegenheit, einmal mehr als ein paar Tage ohne den Lärm von Showgirls und Artisten an einem Ort zu verbringen. Der Gedanke an eine Schule und an Freundinnen in ihrem Alter war verlockend, aber sie wusste, es war nur ein Traum, denn ihre Eltern hatten ihr oft erklärt, Leuten wie ihnen sei es nicht bestimmt, ein
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