Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farm am Eukalyptushain

Die Farm am Eukalyptushain

Titel: Die Farm am Eukalyptushain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
sein würde und wie wunderbar Tante Cat sang. Rosa bekam Gänsehaut von ihrer Stimme, und manchmal, wenn sie leise, traurig und so unbeschreiblich rein klang, hätte sie am liebsten geweint, weil es so wunderschön war.
    New York war eine Offenbarung. In den Straßen herrschte großes Gedränge, die Häuser ragten bis in den Himmel, und das unaufhörlich lärmende Treiben war ganz anders als das gemächliche Tempo von Brisbane. Sie wohnten in einer luxuriösen Hotelsuite an der Fifth Avenue, und sie war sich mit Miss Frobisher, die sie als Kindermädchen und Hauslehrerin begleitete, darin einig, dass sie nicht gern so hoch wohnten.
    London war eine Stadt, in die Rosa sich verliebte. Sie war so alt, und obwohl auch hier ein überwältigendes Getriebe herrschte, spürte man nichts von der vorwärts drängenden Energie, die New York erfüllte. Zu gern fuhr sie mit den großen roten Bussen und ging in der Carnaby Street und bei Harrods einkaufen. Miss Frobisher zeigte ihr das Parlament, den Wachwechsel am Buckingham Palace und die Beefeater im Tower. Und Tante Cat war mit ihr zum Tee bei Brown’s gewesen, wo die Sandwiches winzig und die Kuchen köstlich waren und der Tee ganz anders schmeckte als zu Hause.
    Aber Rosas Lieblingsort in London war das Royal Opera House. Auf dem Programm der Saison standen I Pagliacci, Schwanensee und mehrere Symphoniekonzerte. Hinter der Bühne lagein endloses Labyrinth von winzigen Garderoben, Treppen und schmalen Korridoren, und unter der Bühne sah es aus wie in der Werkstatt eines Riesen mit lauter großen Maschinen, die grollend und schnurrend die Seilzüge und Falltüren betrieben.
    Miss Frobisher betrachtete die halb nackt umherspazierenden Männer und Frauen mit Missbilligung und gluckte wie eine aufgebrachte Henne, wenn sie die Ausdrücke hörte, die bei hitzigen Streitigkeiten benutzt wurden, und wenn sie sah, wie locker und freizügig die Sängerinnen und Tänzer einander umarmten und küssten. Rosa war hingerissen, denn die Farben, Lichter und Menschen erinnerten sie an ihre Großmutter Poppy. Sie erinnerte sich noch gut an ihre Geschichten über das Theater; die Sänger, Musiker und Tänzer erweckten diese Geschichten zu neuem Leben.
    Sie waren jetzt seit fast drei Monaten in London, und für Catriona war der letzte Abend auf der Bühne gekommen. Rosa saß mit Miss Frobisher im Publikum. Sie hatte erst eine Woche zuvor ihren zehnten Geburtstag gefeiert, und jetzt trug sie das neue Kleid und die Schuhe, die sie geschenkt bekommen hatte. Sie strahlte begeistert und erwartungsvoll, denn sie hatte zwar einige Proben und das Ballett gesehen und gehört, wovon I Pagliacci handelte, aber die ganze Oper kannte sie nicht.

    Catriona trug ihr schwarzweißes Columbine-Kostüm und saß hinten auf dem bunt bemalten Wagen, der von einem stolzen Pferd auf die Bühne gezogen werden würde. Der Tenor, der den Harlekin Beppe sang, stand vorn neben dem Pferd, um es auf die Bühne zu führen. Angespannt warteten sie darauf, dass Tonio den Prolog beendete.
    Der große Samtvorhang rauschte hoch und zur Seite, die goldenen Troddeln schaukelten hin und her, und vor den Künstlern tat sich der Zuschauersaal auf. Es war ein atemberaubender Anblick, den Catriona nie vergessen würde. In diesem Licht erwachtedas Theater zum Leben. Die vergoldeten Balkone und Posaunenengel glänzten vor dem tiefroten Samt, und die Größe und Pracht dieses wundervollen alten Gebäudes boten ein eindrucksvolles Bild.
    Catriona lehnte sich zurück, als Harlekin das Pferd unter den dröhnenden Schlägen von Canios großer Pauke auf die Bühne führte. Ihr Puls schlug gleichmäßig, aber sie fühlte sich zurückversetzt in jene längst vergangenen Zeiten, da dies keine Szene aus einer Oper, sondern die Realität ihres Lebens gewesen war. Es war ihr Schwanengesang, ihr Abschiedsauftritt. Wie gut es zusammenpasste.

    Rosa beugte sich vor. Sie wollte nicht einen einzigen Augenblick der tragischen Schlussszene verpassen. Tante Cats Schreie hatten so echt geklungen, ihr Entsetzen war so real erschienen – am liebsten wäre Rosa auf die Bühne gestürzt, um sie zu beschützen. Jetzt lag Catriona reglos am Boden, blass und schön, und der Vorhang schloss sich.
    Ein Sturm der Begeisterung brach los, Bravo-Rufe hallten bis unter die verschnörkelte Decke, und ringsum donnerte der Applaus. Rosa stand auf, fing an zu klatschen und jubelnd auf und ab zu springen, als das Ensemble seine Vorhänge entgegennahm.
    Catriona wurde von Canio

Weitere Kostenlose Bücher